Gottesfriede

[114] Gottesfriede, heißt im allgem. der Zustand des in Gott befriedigten Gemüthes, näher aber die Treuga Dei, d.h. der Inbegriff jener Einrichtungen, wodurch die Kirche das Faust- u. Fehderecht zu beschränken trachtete, im engsten Sinne die Zeit, innerhalb deren die Waffen ruhen mußten. Der wilde Sinn der bekehrten heidnischen, namentlich der german. Völker (Blutrache) konnte nur sehr langsam und allmälig geschwächt werden; ein lockerer Staatsverband, die Schwächung der königl. Gewalt durch die größeren Vasallen, die Unmöglichkeit od. Schwierigkeit sein Recht zu erhalten, förderten die Fortdauer des Fehderechts. Der Landfriede von 1158, wornach bei Strafe des Stranges zuerst bei Gericht Hilfe gesucht und die [114] Fehde 3 Tage vor ihrem Beginn angekündigt werden sollte, blieb ziemlich wirkungslos. Der G., den die Kirche vermittelte, brachte aus kleinen Anfängen Größeres zuwege. Schon 994 erhob sich eine Synode von Limoges gegen ungerechte Fehden, 1016 noch wirksamer das Concil von Orleans; das Elend der Jahre 1028–30 machte die Menschen dem G.n geneigt und 1031 suchten die aquitanischen Bischöfe denselben allgemein zu machen. Das Fehderecht wurde auf gewisse Tage beschränkt, 1041 auf die Zeit vom Sonnenaufgang des Montages bis zum Sonnenuntergang am Mittwoch; 1095 dehnte die Synode von Clermont den G. auf die Zeit vom Advent bis Epiphanie u. vom Beginn der Fasten bis 8 Tage nach Pfingsten aus. Des frühen Schutzes gottgeweihter Orte durch die Treuga Dei wurden immer mehr Festtage theilhaftig, aber je mehr Excommunication u. Interdicte ihre Wirksamkeit verloren, desto mehr traten an die Stelle des G.ns der Kirche die Landfrieden (s. d.) des Staates, bis dieser stark genug war, dem Fehderecht des Einzelnen ganz ein Ende zu machen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 114-115.
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