Isokrates

[444] Isokrates, der »Vater der Wohlredenheit«, wie ihn Cicero nennt, geb. 436 v. Chr., war zu schüchtern u. von zu schwacher Stimme, um sich im Staatsleben zu bewegen, eröffnete aber eine Rednerschule, zuerst in Chios, dann in Athen, und erwarb dadurch sowie durch das Abfassen von Reden für andere Einfluß, Ruhm und Geld in Hülle und Fülle, da ein Demosthenes, Isäus u.a. aus seiner Schule hervorgingen und I. sich von keinem Schüler weniger als 1000 Drachmen (366 fl. 40 kr. rhein.) Lehrgeld bezahlen ließ. Uebrigens war er mit Platon u.a. ein Gegner der Sophisten und sah nicht mit diesen in der Redekunst das Mittel, die Massen durch Wortmacherei zu berücken u. für jeden beliebigen Zweck zu mißbrauchen, sondern die Kunst, durch einleuchtende Gründe und erlaubte Mittel die Gemüther für od. gegen etwas zu stimmen. Sein Unterricht war praktisch, indem er keineswegs über Gegenstände der Metaphysik u. dgl., sondern über praktische Lebens- und Staatsverhältnisse Redeübungen hielt. Die Entstehungsweise seiner Reden und der Fleiß, welchen er auf dieselben verwandte (an seiner berühmtesten, dem sog. Panegyrikos, wodurch er zur Eintracht u. zum Kampfe gegen die Perser mahnte, soll er 10 Jahre gefeilt haben), machen es begreiflich, daß man Wärme bei ihm vermißt, er entschädigt aber durch treffende Auffassung seines Gegenstandes, durch vollendete Reinheit der Sprache und meisterhaften Periodenbau. Nach der Schlacht bei Chäronea (am 4. Aug. 338 v. Chr.) soll der freiheitsliebende 98jährige I. freiwillig verhungert sein, wodurch er als antikes Tugendmuster sich bewährt hätte. Von 60 Reden wurden sehr frühe nur 28 als ächt anerkannt; 21 sind auf uns gekommen. Erste Ausgabe durch Demetr. Chalcondylas, Mediolan. 1493; Ausgaben von Aldus Manutius, H. Stephanus, in unserm Jahrh. von Korais, Orelli, Baiter u.a., namentlich in den Sammelwerken der attischen Redner, neueste von Benseler, Leipzig 1851, 2 B., Uebersetzung von Christian, Stuttgart 1833 bis 36, 8 B.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 444.
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