Kabbala

[521] Kabbala (vom hebr. kabal = auffangen, empfangen, daher K. = die empfangene, näher die mündlich überlieferte Lehre), die mystische Religionsphilosophie der Juden. Dieselbe soll sich auf die Uroffenbarung Gottes an die Menschen im Paradiese stützen, welche seit Adam unter allen Völkern sich mündlich durch besonders auserwählte Seelen und so als Geheimlehre fortgepflanzt habe. Historisch ist die K. eine Mischung von jüdischen Ideen mit solchen aus andern Religionen des Orients sowie mit den Philosophemen des Pythagoras, [521] Platon und Aristoteles. Die Hauptquellen der Kabbalistik, Wissenschaft von der K., sind die Bücher Jezirah (Buch der Schöpfung) und Sora (Buch des Glanzes); ersteres soll der Rabbi Akiba (s. d.), das andere sein Schüler Rabbi Simon ben Jochai abgefaßt haben. Gewiß ist. daß erst Raimund Lullus (1234–1315 n. Chr.) die K. erwähnt, deren Inhalt und Geschichte von einer Menge der abenteuerlichsten jüdischen Sagen überwuchert, mit Cosmogonien, Angelogien, Dämonologien u.s.f. bereichert und mit allem Aberglauben, Weissagerei, Zauberei u.s.f. in Verbindung gesetzt worden war. Die K. scheint wesentlich auf ein theosophisches System hinauszulaufen, worin eine Zahlen- und Buchstabensymbolik und besonders die Zahlen 1–10, die Sephirot, als Urzahlen oder Kategorien des Weltalls die Hauptrolle spielen. Durch Marsilius Ficinus (s. d.), die beiden Mirandola u.a. wurde die K. bekannter, in Deutschland zuerst durch Reuchlin; Th. Paracelsus und besonders Jakob Böhme (s. d.) befaßten sich viel mit ihr, das Interesse für letztere hielt das für die K. wach, in welche in unserer Zeit F. X. v. Baader, Molitor u.a. einzudringen suchten. Ob aber die K. eine pantheistische Emanationslehre oder reiner Theismus, welches der Sinn der einzelnen Lehren sei u.s.f., darüber stritten und streiten bis zur Stunde sogar die jüdischen Gelehrten, namentlich Beer, Freistadt, Joel, Jellinek.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1855, Band 3, S. 521-522.
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