Geschmack

[236] Geschmack (lat. gustus) heißt in physiologischer Beziehung der Sinn, welcher uns das Süße, Saure, Bittre, Salzige, Alkalische und Metallische der Gegenstände empfinden läßt, sobald dieselben in löslicher Form das Empfindungsorgan berühren. Dieses Empfindungsorgan besteht in den Endorganen des Geschmacksnervs, den Schmeckzellen, die auf der Zungenschleimhaut liegen. Der Geschmack gehört zu den niederen unentwickelten Sinnen; denn sein Kreis ist eng, und für die Ausbildung der höheren Fähigkeiten leistet er dem Menschen fast nichts, da bei ihm die unterscheidbaren Qualitäten nur unvollkommen in wechselseitige Beziehungen zu setzen sind; nur für die Auswahl der Nahrungsmittel ist er wichtig. Geschmacksaufhebung und –täuschung kommt in Krankheiten und Geistesstörungen vor. Vgl. Bernstein, die fünf Sinne. Lpz. 1875. Wundt, Grundzüge d. phys. Psych. I, S. 411 ff. Grundriß d. Psych. § 6, 13 S. 66. – In ästhetischer Hinsicht ist der Geschmack subjektiv die Fähigkeit, das Schöne zu beurteilen und vom Häßlichen zu unterscheiden; objektiv ist er der Inbegriff der ästhetischen Urteile, die daraus hervorgehen, daß gewisse Dinge, unabhängig vom Nutzen und von der Begierde, dem geistigen Menschen möglichst unmittelbar und uninteressiert[236] gefallen. Der Satz: de gustibus non est disputandum (über den Geschmack läßt sich nicht streiten) bezieht sich daher weniger auf das Schöne als auf das Angenehme, welches in stärkerem Maße dem subjektiven Fühlen anheimgegeben ist. Kant definiert den Geschmack als das Vermögen der ästhetischen Urteilskraft, allgemeingültig zu wählen (Anthropologie I § 64, S. 186) oder als das Beurteilungsvermögen eines Gegenstandes oder einer Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen oder Mißfallen ohne alles Interesse (Kr. d. Urt. I § 5, S. 16). Vgl. Ästhetik.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 236-237.
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