Gut, sittliches

[253] Gut, sittliches. Da sich bei jeder Handlung dreierlei unterscheiden läßt, das Handeln selbst, die Person, welche handelt, und das Objekt, das dadurch hervorgebracht wird, so zerfällt die Ethik in die Pflichten-, Tugend- und Güterlehre (vgl. Ethik). Ein sittliches Gut ist im allgemeinen alles, was durch sittliches Tun erworben wird und zur Förderung der Menschheit dient. Zunächst muß es irgendwie gut sein, d.h. uns ideale Lust, Lebensförderung bereiten. Es muß aber ferner irgendwie Produkt unserer sittlichen Tätigkeit sein; alles in der Welt kann dazu werden. Das Sinnliche, Genuß, Reichtum, Macht wird uns aber auch leicht ein Gegenstand der Versuchung und Sünde. Wir dürfen es also weder durch schlechte Mittel erwerben, noch selbstsüchtig erstreben, noch auch beliebig verwenden, sondern wir haben es wieder in den Dienst des Guten der Menschheit zu stellen. Das Sinnliche bildet den Kreis der äußeren und leiblichen Güter. Von ihm sind die geistigen Güter und Fähigkeiten, wie Wissen, Kunstfähigkeit und Tugend, zu scheiden. Die Stoiker wollten nur die geistigen Güter als wahre Güter anerkennen, während sie die anderen als gleichgültig adiaphora bezeichneten. Ihre Auffassung war einseitig und rigoros. Auch blieben sie sich darin nicht konsequent: Einiges sollte unter dem. Gleichgültigen annehmlich lêpta, anderes nicht annehmlich alêpta und unter jenem manches vorzüglich proêgmena sein. – Eine ausführliche Darlegung alles dessen, was sittliches Gut sein kann, gibt A. Döring, philosophische Güterlehre, 1888.[253]

Das höchste Gut ist nicht nur dem Range nach das erste, sondern auch das, was alle anderen mit einschließt. Je nach dem philosophischen Standpunkt und je nachdem man dabei auf die Menschheit Rücksicht nimmt, wird man es anders bestimmen. Kant erklärte Glückseligkeit in Verbindung mit Sittlichkeit für das höchste Gut. Metaphysisch hat man darunter Gott zu verstehen. Ethische Betrachtungen führen dazu, es als Humanität, d.h. als eine wahrhaft menschliche, folglich der Vernunft gehorchende und daher auch glückliche Handlungsweise der Menschheit zu bestimmen. Die Lehre vom höchsten Gut heißt Agathologie.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 253-254.
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