gut

[252] gut heißt im allgemeinen alles, dem der Mensch einen Wert beilegt, weil es ihm Lust bereitet, sei es in der Erinnerung oder sei es im Genuß oder sei es in der Hoffnung. Diese Lust aber entspringt aus der Steigerung unseres Lebensgefühls, unserer Selbstbetätigung. Da diese nun nicht ohne ein vorgestelltes Ziel stattfinden kann, so verbindet sich mit der Wertschätzung eine Art von intellektuellem Wohlgefallen. Man unterscheidet ein mehrfaches Gutes: das Nützliche, Angenehme, Geschmackvolle und Sittlich-Gute. Nützlich ist ein Ding, sofern es uns als Mittel zu irgend einem Zwecke dient. Die Wertschätzung des Nützlichen ist nicht frei von Subjektivität; denn manches Ding, welches dem einen nützlich ist, kann dem anderen schädlich oder wenigstens für ihn unbrauchbar sein. Daher hat das Nützlich-Gute nur relativen Wert. Angenehm heißt das Gute, welches unseren Sinnen Lust bereitet; auch dieses ist bis zu einem gewisse Grade Subjektiv, ja noch mehr als das Nützliche; denn während dieses doch stets tatsächlichen Verhältnissen entsprechen muß, um zu wirken, hängt das Angenehme so sehr von der Situation des Subjekts ab, daß, was eben angenehm war, jetzt schon das Gegenteil davon sein kann. Das Geschmackvolle unterscheidet sich vom Nützlichen insofern, als seine Brauchbarkeit gar nicht dabei in Frage kommt; dagegen ist es mit dem Sinnlichen so weit verwandt, als es auch durch die Sinne (freilich nur die höheren) uns zugeführt wird. Es erhebt sich aber dadurch über das Angenehme, daß es ein mehr geistiges uninteressiertes Wohlgefallen erregt und nicht die niederen Begierden des Menschen erweckt. Es beruht also wohl auf einer Zweckmäßigkeit des Objekts (wie beim Nützlichen und Angenehmen), aber auf einer mehr idealen; sein Wert ist ein allgemeinerer. Insofern ist ihm endlich das Sittlich-Gute verwandt. Es erweckt unsere Billigung, weil es der Idee des Menschen entspricht; die Lust, die es hervorruft. ist rein geistig; aber in der geistigen Natur des Menschen (Willen und Intellekt) veranlaßt es ein lebhaftes Interesse; die Lust am Sittlich-Guten ist zugleich intellektuell und praktisch, so daß nicht bloß die Handlung selbst, sondern auch der Guthandelnde für uns Wert erhält. Das Nützliche erfreut uns, das Angenehme vergnügt, das Geschmackvolle gefallt, das Sittliche wird geschätzt. Das Schöne und Gute hat bleibenden, das Nützliche und Angenehme nur vorübergehenden Wert; jene[252] haben objektiven, diese subjektiven Wert. Anderseits gruppieren sich die vier Arten so: dem Schönen und Angenehmen gegenüber verhalten wir uns überwiegend passiv, rezeptiv, dem Nützlichen und Sittlichen hingegen aktiv. Jene wenden sich an unser Gefühl, diese an den Willen.

Im ethischen Sinne ist also gut dasjenige, was an sich wertvoll und von einer Persönlichkeit mit Bewußtsein und Freiheit aus idealem Interesse getan wird. Das Sittlich-Gute inhaltlich zu bestimmen, ist schwer. Die bloß formale Bestimmung desselben dahin, daß es auf der Übereinstimmung mit einem formalen Sittengesetze beruhe, ist jedoch völlig unzureichend; inhaltlich läßt es sich im einzelnen wesentlich nur aus der Praxis des Lebens, von einem philosophischen System oder von einer Religion aus bestimmen. Der inhaltsreichste Kodex des Sittlich-Guten ist das Neue Testament.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 252-253.
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