Gut

[419] Gut ist alles, was (inwiefern es) wegen seiner Eignung, einen Willen (ein Begehren) zu befriedigen, als zweckvoll beurteilt wird. Das »gut-Sein« ist, begrifflich, ein Product unseres Urteils über die Bedeutung eines Objects für unser oder für ein Ich (für ein Ding) überhaupt (subjectiv gut, objectiv gut). Das objectiv Gute ist das (empirisch oder ideal) allgemein Bewertete, zu Bewertende,[419] weil die Allgemeinheit Fördernde, es ist das überindividuelle Gute. Das An-sich (Fundament) des Guten besteht in den Eigenschaften, um derentwillen etwas als gut gewertet wird. Zu unterscheiden sind das physisch, biologisch, geistig, social, ethisch, ästhetisch, logisch, religiös Gute. Schlecht ist etwas, sofern es ein Bedürfnis nicht befriedigt, zu einem (bestimmten) Zwecke untauglich ist. Gut und schlecht mit allen ihren Modificationen sind praktische oder Wertungs-Kategorien, Beurteilungsbegriffe; sie enthalten (bewußt oder stillschweigend) die Beziehung auf ein Subject überhaupt. Vgl. Sittlichkeit.

Güter sind Gegenstände von (subjectivem oder objectivem, individuellem oder allgemeinem) Wert. Zu unterscheiden sind physische und geistige (moralische, ethische) Güter. Alles, was die Erhaltung und Entwicklung der Gesamtkräfte eines Individuums, einer Gemeinschaft fördert, was die individuell-sociale echte Cultur hebt, was die Potenzen zur Höherentwicklung zu verwirklichen geeignet ist, ist ein (wahres) Gut und erregt daher, wenn bewußt, Lust. Höchstes Gut ist das zuhöchst Gewertete, der Inbegriff aller Güter, in einer Einheit gedacht, oft mit Gott identificirt.

In der Geschichte der Philosophie wird das Gute bald in die Lust (das Lusterregende), bald in die Energieentfaltung, bald in das (individuell-social) Nützliche, bald in das Sittliche verlegt. Manchmal wird das Gute ontologisch (metaphysisch) als Princip der Dinge aufgefaßt.

SOKRATES, setzt das agathon, das Gute, gleich dem kalon (Schönen) und ôphelimon, chrêsimon (Nützlichen) (XENOPHON, Memor. IV, 6, 8 f.). Die Kyrenaiker werten die Lust als gut, die Cyniker die Bedürfnislosigkeit, Leidlosigkeit und (zur Erreichung dieser) das kat' aretên zên, die Tugend (Diog. L. VI 9, 104). EUKLID VON MEGARA erklärt: das Eine, Seiende ist das Gute, dieses ist unwandelbar. Das Gute ist also Weltprincip: houtos hen to agathon apephaineto pollois kaloumenon, hote men gar phronêsin, hote de theon kai allote noun kai ta loipa, ta de antikeiyena tô agathô anêrei, mê einai phaskôn (Diog. L. II, 106). Das Gute sei nur das, »quod esset unum et simile et idem semper« (CICERO, Acad. II, 42). PLATO betrachtet die Idee des Guten als megiston mathêma, als höchsten Erkenntnisgegenstand (Rep. VI, 505 A ff.). Die Idee des Guten ist der Grund, das Princip alles Schönen und Wahren, d.h. die Norm, das Ethische gleichsam liegt schon dem Ästhetischen und Logischen zugrunde (touto toinyn to tên alêtheian parechon tois gignôskomenois kai tô gignôskonti tên dynamin apodidon tên agathou idean phathi einai, aitian epistêmês ousan kai alêtheias (Rep. 508 E). Ja, das Gute ist der Grund des Seins, indem das Sein besser ist als das Nichts (Phäd. 97 C). So überragt denn die Idee des Guten (das Gute an sich) die Seinsidee: kai tois gignôskomenois toinyn mê monon to gignôskesthai phanai hypo tou agathou pareinai, alla kai to einai te kai tên ousian hyp' ekeinou autois proseinai, ouk ousias ontos tou agathou, all' eti epekeiya tês ousias presbeia kai dynauei hyperechontos (Rep. 509 B). Die Idee des Guten ist eins mit der göttlichen Vernunft (Phileb. 22), sie ist der Demiurg (Tim. 28 ff.). Anfangs identificiert Plato das Gute mit dem Nützlichen(Protag. 333D, 353C), später gibt er eine Gütertafel, auf welcher Harmonie, Schönheit, Vernunft (Wahrheit), reine Lustgefühle als Wertobjecte erscheinen (Phileb. 65 f.). ARISTOTELES gründet die Ethik auf den Begriff des höchste Gutes (to pantôn akrotaton tôn praktôn agathôn, Eth. Nic. I, 2). Gut ist hou pant' ephietai (Eth. Nic. I 1, 1094 a 3). Es gibt ein agathon haplôs (»bonum simpliciter, per se« der Scholastiker), agathon tini, heterou heneka, di' allo [420] (»bonum cui, secundum quid, per accidens«) (l.c. I 1, 1094 a 18; I 4, 1096 b 13; Top. III 1, 116 b 8), phainomenon agathon und kat' alêtheian agathon (scheinbares und wahres Gut), kyriôs agathon (l.c. III 6, 1113 a 16; III 7, 1114 b 7; VI 13, 1144 b 7). Das Gute besteht beim Menschen in der Eudämonie, und diese wiederum beruht auf der naturgemäßen (oikeion) Tätigkeit, in der vernünftigsittlichen Energieentfaltung der Seele (en tô ergô dokei tagathon einai kai to en, Eth. Nic. I 6, 1097 b 27; to anthrôpinon agathon psychês energeia ginetai kat' aretên, ei de pleious hai aretai, kata tên aristên kai teleiotatên. eti d' en biô teleiô, 1 c. I 6, 1098 a 16 squ.). Die Güte kommt primär den Einzeldingen zu; sie besteht allgemein in der Verwirklichung des Naturzwecks (des Gattungsbegriffes) derselben. Alles Wirkliche ist gut an sich (vgl. E. ARLETH, Die metaphys. Grundlag. d. Aristotel. Eth. S. 39, 51). – Äußerer Güter bedarf man, um an der Ausübung der Tugend nicht gehindert zu werden (dio prosdeitai ho eudaimôn tôn en sômati agathôn kai tôn ektos kai tês tychês, hopôs mê empodizêtai tauta, l.c. VII 14, 1153 b 17 squ.). Aber sie sind nur Mittel, nicht Zweck (l.c. I 9, 1099 a 34). Aristoteles unterscheidet: Güter der Seele, des Leibes, äußere Güter; ferner: unmittelbare und mittelbare Güter (Eth. Nic. I 8, 1098 b 12; Polit. VII 1, 1323 a 24; Eth. Nic. I 4, 1096 b 13 squ.; VII 10, 1151 a 35 squ.; Rhetor. I 6, 1362 a 17 squ.). Ein Gut ist um so wertvoller, je beständiger es ist und je mehreren es zuteil wird. Seelische Güter sind denen des Körpers vorzuziehen (Top. III 1, 116 a 13; Eth. Nic. I 1, 1094 b 7; I 8, 1098 b 12 squ.; Polit. VII 1, 1323 b 16; De partib. animal. I 5, 645 b 19; vgl. ARLETH. l.c. S. 65 ff.). Die Stoiker werten als gut das Nützliche im Sinne des Natur- und Vernunftgemäßen (agathon de koinôs men to hou ti ophelos... allôs d' houtôs idiôs horizontai to agathon, to teleion kata physin logikou hôs logikou, Diog. L. VII 1, 94). Es gibt geistige (innere) und äußere Güter; wahre Güter sind nur die Tugenden, das übrige ist adiaphora (s d.): tôn agathôn ta men einai peri psychên, ta d' ektos, ta d' oute peri psychên out' ektos. ta men peri psychên aretas kai tas kata tautas praxeis. ta d' ektos to te spouthaian echein patrida kai spoudaion philon kai tên toutôn eudaimonian (Diog. L. VII 1, 95); eti tôn agathôn ta men einai telika, ta de poiêtika, ta de telika kai poiêtika (l.c. VII 1, 96); agatha men oun tas t' aretas, phronêsin, dikaiosynên, andoeian, sôphrôsynên kai ta loipa (l.c. VII 1, 102, Stob. Ecl. II 6, 202); legousi de monon to kalon agathon einai... einai de touto aretên kai to metechon aretês, hô estin ison to pan agathon kalon einai kai to isodynamein tô kalô to agathon, hopôr ison esti toutô ... dokei de panta ta agatha isa einai (Diog. L. VII 1, 101); agatha men ta toiauta, phronêsin, dikaiosynên, sôphrosynên, andreian kai ho estin aretê ê metechon aretês (Stob. Ecl. II 6, 90). Nach MARC AUREL ist das für jeden Teil der Natur gut, was mit dem großen Ganzen übereinstimmt, was zur Erhaltung des Weltplanes dient (In se ips. II, 3). Höchstes Gut des Menschen ist die autarkeia,, die Selbstgenügsamkeit (l.c. III, 6). EPIKUR betrachtet die Lust als solche als ein Gut (Diog. L. X, 129, 141). Die Lust ist agathon prôton kai syngenikon (l.c. X, 129). Der Akademiker KRANTOR nennt als Güter: Tugend, Gesundheit, Reichtum, Lust (Sext. Empir. adv. Math. XI, 51 squ.). PLOTIN bestimmt das »Gute an sich« als Überseiendes, Göttliches, als Grund aller Tätigkeit, als Ziel alles Strebens, als Aseïtät (s. d.) und Quelle alles Lebens (Enn. I, 7, 1; I, 8, 2). Durch Teilhaben an dem Urguten sind die Dinge gut (l.c. I, 7, 2).[421] Die Seele gelangt durch Tugend (s. d.) zum Guten (l.c. I, 7, 3). Naturgemäße Tätigkeit ist für die Seele das Gute (l.c. I, 7, 1).

Nach AUGUSTINUS ist alles Sein an sich gut (Conf. VII, 12): »Quidquid est, bonum est« (De ver. relig. 21; »Omne ens inquantum ens est, est bonum«, THOMAS, Sum. th. I, 5, 3). Unter dem höchsten Gut (»summum bonum, bonum per ipsam«, ANSELM, Monol. 1) verstehen die Scholastiker Gott (s. d.). Nach ALBERTUS MAGNUS ist das Gute das, »quod ultimam sui perfectionem ademptum est« (Ad Eth. Nic. I, 2, 1). Nach THOMAS ist gut (subjectiv), »quod omnia appetunt« (Sum. th. I, 5, 1 c). Gut ist etwas, »inquantum est appetibile et terminus motus appetitus« (l.c. I, 5, 6 c); »uniuscuiusque rei est bonum, quod convenit ei secundum suam formam« (l.c. II, 18, 5 c). In das »Naturgemäße« setzt auch DUNS SCOTUS das Gute: »Actus tunc bonus est naturaliter, quando habet omnia convenientia, quantum ad ista, quae nata sunt convenire sibi naturaliter, et concurrere ad esse eius naturale« (In 1. sent. 2, d. 40). SUAREZ erklärt: »Bonitas dicit perfectionem rei connotando convenientiam seu denominationem consurgentem ex coëxistentia plurium« (Met. disp. 10, 1). – L. VIVES: »Bonum. est simpliciter, quod prodest simpliciter; bonum cuique, quod ei prodest« (De an. III, p. 145 f.). Vgl. CAMPANELLA, Dial. I, 4.

Auf das Streben als dessen Object bezieht das Gute HOBBES: »Quicquid... appetitus in homine quocunque obiectum est, eidem illud est, quod ab ipso appellatur bonum« (Leviath. I, 6). Gut ist das Lusterregende. Es gibt kein absolutes Gut (Hum. Nature ch. VII, 3). Das erste Gut ist für jeden die Selbsterhaltung: »Bonorum autem primum est sua cuique conservatio« (De hom. C. 11, 5 f.). Auch SPINOZA bestimmt das Gute subjectivistisch als Strebensobject: »Constat..., nihil nos conari, velle, appetere neque cupere, quia id bonum esse iudicamus; sed contra nos propterea aliquid bonum esse iudicare, quia id conamur, volumus, appetimus atque cupimus« (Eth. III, prop. IX, schol.). Die Relativität und Subjectivität des Gut-Sein ist zu betonen: »Bonum et malum quod attinet, nihil etiam positivum in rebus, in se scilicet consideratis, iudicant, nec aliud sunt praeter cogitandi modos seu notiones, quas formamus ex eo, quod res ad invicem comparamus. Nam una eademque res potest eodem tempore bona et mala et etiam indifferens esse« (l.c. IV, praef.). Das Gute ist das wahrhaft Nützliche, das menschlich-vernünftige Sein Erhaltende und Fördernde. »Per bonum... intelligam id, quod certo scimus medium esse, ut ad exemplar humanae naturae, quod nobis proponimus, magis magisque accedamus« (Eth. IV, praef.). »Per bonum id intelligam, quod certo scimus nobis esse utile« (l.c. IV, def. I). »Id bonum aut malum vocamus, quod nostro esse conservando prodest vel obest, hoc est, quod nostram agendi potentium auget vel minuit, iuvat vel coërcet« (l.c. IV, prop. VIII). »Nihil certo scimus bonum aut malum, nisi id, quod ad intelligendum re vera conducit, vel quod impedire potest, quo minus intelligamus« (l.c. IV, prop. XXVII). »Summum mentis bonum est Dei cognitio« (l.c. IV, prop. XXVIII). »Quatenus res aliqua cum nostra natura convenit, actus necessario bona est« (l.c. IV, prop. XXXI). Das Gute wünscht der Tugendhafte auch seinen Nebenmenschen: »Bonum, quod unusquisque, qui sectatur virtutem, sibi appetit, reliquis hominibus etiam cupiet, et eo magis, quo maiorem Dei habuerit cognitionem« (l.c. IV, prop. XXXVII). GEULINCX bestimmt: »Bonum est, quod amamus; malum, quod aversamus; utile est medium boni« (Eth. III, § 5 f.). Nach LOCKE heißt ein Gut, was die Lust in uns zu wecken oder zu steigern oder die Unlust zu[422] mindern vermag (Ess. II, ch. 20, § 2). CUMBERLAND erklärt: »Bonum est, quod rei cuiuslibet, vel plurium facultates conservat, vel insuper adauget et perficit« (De leg. nat. C. 3, p. 161). LEIBNIZ unterscheidet das Gute in das Angenehme und Nützliche (Nouv. Ess. II, ch. 20, § 2). Der freie Wille geht auf das Gute (Theod. I, § 147, so schon die Scholastiker). Das »metaphysische« Gut besteht in der Vollkommenheit der Dinge, das »physische« im Wohle der Geister, das »moralische« im Sittlichen (l.c. II, Anh. IV, § 29 ff.). »Physische« Güter sind alle Lustgefühle, alle Kraftbetätigungen, die uns nicht lästig werden (l.c. II B, § 261). Nach CHR. WOLF ist gut, »was uns und unseren Zustand vollkommener machet« (Vern. Ged. I, § 422). »Bonum est, quidquid nos stratumque nostrum perficit« (Psychol. empir. § 554). »Beatitudo philosophica seu summum bonum hominis est non impeditus progressus ad maiores continuo perfectiones« (Philos. pract. I, § 374). Wie Wolf definiert auch BILFINGER (Diluc. § 289). Nach FERGUSON ist ein Gut »alles, was die Wohlfahrt der Gesellschaft oder irgend eines geliebten Gegenstandes befördert« (Grund(s. d.) Moralphilos. S. 63). »Alles, wovon wir glauben, daß es in sich selbst eine Vollkommenheit ausmache oder uns einen Vorzug gewähre, halten wir für gut« (ib.; vgl. S. 122 ff.). Nach ROUSSEAU wird das »Gute« durch das Gefühl bestimmt (Emil IV, S. 156). VOLNEY nennt ein Gut alles, was zur Erhaltung und Vervollkommnung des Menschen geeignet ist (Ruinen, nat. Ges. a. 4, S. 232). Nach J. BENTHAM ist gut die Lust oder die Ursache von Lust.

Nach KANT ist praktisch (sittlich) gut das, »was aus Gründen, die für jedes vernünftige Wesen als ein solches gültig sind, den Willen bestimmt« (Grundleg. zur Met. d. Sitt. 2. Abschn.; WW. IV, 261), was dem Vernunftgesetze gemäß ist (Kr. d. prakt. Vern. 1. T1., 1..B., 2. Hptst.). Gut ist, »was vermittelst der Vernunft durch den bloßen Begriff gefällt«. Was zu etwas, als Mittel, gut ist, ist das Nützliche; an sich gut ist, was für sich gefällt (Krit. d. Urt. I, § 4). Das Gute führt ein reines (unsinnliches) Wohlgefallen mit sich (l.c. § 5). »Gut« heißt das, was geschätzt, gebilligt wird, was Achtung erweckt (ib.). Höchstes Gut heißt die unbedingte Totalität des Gegenstandes der reinen praktischen Vernunft (Kr. d. prakt. Vern. 1. T., 2. B., 1. Hptst.). Tugend (s. d.) ist das oberste Gut, das vollendete Gut aber schließt auch Glückseligkeit ein (l.c. 2. Hptst.). Glückseligkeit in genauer Proportion mit der Sittlichkeit macht das höchste Gut aus (WW. III, 537). Dieses ist ohne Freiheit, Unsterblichkeit, Gott nicht möglich (WW. V, 140; vgl. III, 535). Das einzige wahrhafte Gute ist der sittliche Wille: »Es ist überall nichts in der Welt, ja überhaupt auch außer derselben zu denken möglich, was ohne Einschränkung könnte für gut gehalten werden, als allein ein guter Wille« (WW. IV, 241). G. E. SCHULZE definiert: »Der Gegenstand des Begehrens heißt ein Gut« (Psych. Anthropol. S. 406). Nach J. G. FICHTE ist das höchste Gut »die vollkommene Übereinstimmung eines vernünftigen Wesens mit sich selbst« (Bestimm. d. Gelehrt. 1. Vorles.). Nach HEGEL ist das Gute »der Inhalt des allgemeinen, an und für sich seienden Willens« (Encykl. § 507), das »an ihm selbst bestimmte Allgemeine des Willens« (l.c. § 508), die »realisierte Freiheit, der absolute Endzweck der Welt« (Rechtsphilos. S. 171 f.; vgl. Log. III, 320). K. ROSENKRANZ bestimmt das Gute als den allgemeinen Begriff des freien Willens (Syst. d. Wiss. S. 437 ff.). Nach ESCHENMAYER hat das Gute »immer einen Zweck, der auf die Gemeinschaft vernünftiger Wesen hinausgeht« (Psychol.[423] S. 380). »Wir halten etwas nur darum für gut, weil es dem Standpunkt des Ich übergeordnet ist.« Das Gute kann nicht durch Begriffe oder Gefühle gemessen, sondern nur durch den Willen erstrebt werden (l.c. S. 419). Nach CHR. KRAUSE ist das Gute »das Wesentliche des Lebens«, das, »was im Leben wirklich gemacht (dargelebt) werden soll« (Abr. d. Rechtsphilos. S. 5). Nach SCHOPENHAUER bezeichnet »gut« »die Angemessenheit eines Objects zu irgend einer bestimmten Bestrebung des Wollens«. Alles Gute ist relativ, es gibt kein »höchstes Gut« (W. a. W. u. V. I. Bd., § 65). BENEKE nennt gut alles die eigene und fremde geistige Entwicklung Fördernde. Güter und Übel sind »die geistigen Förderungen und Herabstimmungen nicht weniger als die sinnlichen« (Sittenlehre II, 26). Nach SCHLEIERMACHER ist gut jedes Einssein bestimmter Seiten von Vernunft und Natur, Harmonie der Gegensätze (Philos. Sittenl. § 91 ff., § 135). »Gut ist jedes bestimmte Sein, insofern es Welt für sich, Abbild des Seins schlechthin ist« (l.c. § 91). Das höchste Gut ist der Inbegriff aller einzelnen Güter (l.c. § 141). Das Böse ist an sich nichts und kommt nur mit dem Guten zum Vorschein, es ist nur der negative Factor im Proceß der werdenden Einigung, es ist »das ursprüngliche Nicht-vernunft-sein der Natur« (l.c. § 91). Sociale Güter sind Staat, bürgerliche Gemeinschaft, Schule, Kirche. LOTZE sieht im Guten Grund und Zweck des Seienden (Mikrok.). Gut sind die Formen des Wollens und der Gesinnung, die unser Gewissen billigt und gebietet (Mikrok. III2, 605). Güter sind förderliche Eindrücke, wenn sie einem beständigen Bedürfnisse unserer Natur entgegenkommen (l.c. S. 606). Das Dasein des Bösen ist nicht voll zu begreifen (l.c. S. 605).

Auf das Gefühl bezieht das Gute FECHNER. Gut ist die Lust schlechthin (Üb. d. höchste Gut S. 6 ff.). Gut ist, was geeignet ist, den Glückseligkeitszustand der Welt zu fördern (Tagesans. 131; vgl. Zend-Avesta I, 232, 243). Nach SCHUPPE bedeutet »gut«: »es gewährt mir Lust«, »ich will« (Grdz. d. Eth. S. 19). An sich gut ist »die Lust an der bewußten Existenz oder am Bewußtsein« (l.c. S. 108). Nach GIZYCKI ist alles gut, was unmittelbar oder mittelbar Ursache angenehmer Bewußtseinszustände ist oder was unangenehme Bewußtseinszustände hintanhält (Moralphilos. S. 10). Gut ist der Name für »Freude erzeugen oder Leid verhindern« (l.c. S. 12). Individuell und social Gutes sind zu unterscheiden (l.c. S. 18) Sittlich gut ist, was die allgemeine Wohlfahrt oder Glückseligkeit befördert (l.c. S. 4). KREIBIG; definiert »gut« als Lust erregend (Wertth. S. 18). »Autopathisch« gut heißt »dem Wertenden eigene Lust bringend«, »heteropathisch« so viel wie »fremden Subjecten Lust bringend«, »ergopathisch« so viel wie »lustauslösend bei objectivem Genießen« (l.c. S. 21). Höchstes Gut ist »die möglichst reiche Entfaltung und Betätigung der geistigen und leiblichen Kräfte des Menschen« (l.c. S. 18).

Auf das Wollen, Begehren bezieht das Gute VOLKMANN: »Nicht weil etwas sub specie boni vel mali erscheint, wird es begehrt oder verabscheut, sondern was wir begehren oder verabscheuen, erscheint als bonum oder malum, weil und solange wir es begehren oder verabscheuen« (Lehrb. d. Psychol. II4, 423). HARMS erklärt ähnlich: »Nicht weil wir etwas als gut erkannt haben, wollen wir es, sondern wir erkennen es als gut, weil wir es wollen. Erst durch den Act des Wollens ist das Gedachte ein Gut« (Abhandl. zur system. Philos. S. 71 f.). Ähnlich WITTE (We(s. d.) Seele S. 168). J. H. FICHTE: »Jeder dauernd befriedigte Trieb erzeugt einen Zustand im Subjecte, der als ein eigentümlich Begehrenswertes, als ein Gut empfunden wird« (Psychol. II, 152). Gut ist[424] nach ULRICI, was einen Wert (s. d.) für uns hat (Gott u. d. Natur S. 604). Nach AHRENS ist gut alles), »was der vernünftigen Natur des Menschen und den darin begründeten wahren Bedürfnissen angemessen, also überhaupt erstrebenswert ist« (Naturrecht I, 226, 251). Das höchste Gut liegt »in der Erstrebung und der praktischen Darbildung der Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott« (l.c. I, 251). E. LAAS bestimmt: »Ein Gut ist jedem in jedem Momente dasjenige, d.h. es erscheint ihm momentan als ein solches, was ihm Lust bereitet, ein Bedürfnis befriedigt und von Schmerzen befreit« (Ideal. u. Positiv. II, 219). Höchstes Gut ist »die möglichste Schmerzlosigkeit und der höchste Überschuß von Lust und Unlust für alle fühlenden Wesen« (l.c. II, 293). Nach W. JAMES besteht das Wesen des Guten darin, daß es eine Forderung befriedigt (Wille z. Glaub. S. 182). Nach SIDGWICK ist gut, was ein Mensch vernünftigerweise wünschen müßte (»what a man may reasonably desire«, Meth. of Eth.3, p. 401). F. BRENTANO erklärt: »Das mit richtiger Liebe zu Liebende, das Liebwerte ist das Gute im weitesten Sinne des Wortes« (Vom Urspr. sittl. Erk. S. 17). Das Liebens- und Hassenswerte bemerken wir mit ursprünglicher Evidenz (l.c. S. 21). Nach NIETZSCHE bedeutet »gut« vom Standpunkte der »Herrenmoral«, was die Macht, den Willen zur Macht erhöht, befriedigt, zugleich das Vornehme, Edle; vom Standpunkt der »Sklavenmoral« ist »gut« das Nützliche, Friedliche, Duldsame, Gehorsame etc. (Jens. von Gut u. Böse2, S. 228 ff.; vgl. Sittlichkeit). Die Begriffe »gut« und »schlecht« will Nietzsche im Sinne der Herrenmoral, der Übermenschen-Idee (s. d.) umwerten.

Als das Zweckvolle, den einzelnen wie die Gesamtheit Fördernde gilt das Gute bei vielen Ethikern und Sociologen. Nach LIPPS ist gut, »was unserer seelischen Natur gemäß ist und sie befriedigt« (Grundt. d. Seelenl. S. 61,). Nach PAULSEN ist »gut«, worauf der Wille »mit seiner ganzen Natur gerichtet ist, nämlich auf Erhaltung und Entfaltung des Eigenlebens und der Gattung« (Syst. d. Eth. I5, 320). »Gewisse Verhaltungsweisen sind gut, sofern sie die Tendenz haben, menschliche Lebensgüter zu erhalten und zu mehren« (Einl. in d. Philos.2, S. 437). Höchstes Gut ist für den einzelnen ein »vollkommenes Menschenleben, d.h. ein Leben, in dem es zu voller Entfaltung und Betätigung aller leiblich-geistigen Kräfte des Menschen kommt« (l.c. I, 17). Nach WUNDT ist das Gute »kein Glücksgut, sondern ein objectives geistiges Erzeugnis« (Eth.2, S. 503). Nach H. SPENCER ist gut, was einem Zwecke angemessen ist (Princip. d. Eth. I, § 8). »Stets und überall... werden Handlungen gut oder böse genannt, je nachdem sie ihren Zwecken gut oder schlecht angepaßt sind« (l.c. S. 26). Das beste Handeln ist das am meisten Leben und Glück fördernde (l.c. S. 27, § 16, S. 49). HÖFFDING nennt eine Handlung gut, »wenn sie die Wohlfahrt bewußter Wesen bewahrt und entwickelt« (Eth. S. 43). »Gut« und »böse« enthalten ein Zweckurteil nach IHERING (Zweck im Recht II, 214). Alles Gute ist relativ (l.c. S. 215). Nach RATZENHOFER ist gut die artgemäße Entwicklung (Posit. Eth. S. 39 ff.). Nach P. RÉE ist »gut«, social geurteilt, das Löbliche, Belohnenswerte, schlecht das Verwerfliche. Sonst sind gut und allgemein-nützlich identisch (Philos. S. 25, 51) – Nach SIMMEL ist das Gute so viel wie »dasjenige, was eben verwirklicht werden soll« (Einl, in d. Moralwiss. I, 47).

Als Wertprädicate bestimmt gut und böse A. DÖRING, und zwar als Wertprädicate für Handlungen und Gesinnungen, d.h. Willensrichtungen (Philos. Güterlehre S. 224). »Ein Gut ist etwas, das Wert hat« (l.c. S. 2), »ein Object[425] oder Verhältnis, das dadurch für uns Wert hat, daß es Lust erregt, indem es ein Bedürfnis befriedigt« (l.c. S. 76). Höchstes Gut ist »das Bewußtsein objectiven Wertes« oder »die begründete Selbstschätzung« (l.c. S. 323). Nach EHRENFELS ist ein Gut »das Object einer positiven Wertrelation« (Werttheor. I, 71). C. STANGE: »Das in sittlicher Beziehung Wertvolle bezeichnen wir als gut; das in sittlicher Beziehung Unwerte bezeichnen wir als böse« (Einl. in d. Eth. II, 11). Es sind elementare ethische Wertprädicate (ib.). »Im ethischen Sinne gut ist das, was der Pflicht gemäß ist, böse, was der Pflicht zuwider ist« (l.c. S. 19). Sittliche Güter sind »solche Producte, resp. Mittel des menschlichen Handelns, bei denen das menschliche Handeln, durch welches jene Güter produciert werden oder dem jene Güter als Förderungsmittel dienen, als sittliches Handeln in Betracht kommt« (l.c. II, 16 f.). Vgl. Sittlichkeit, Tugend, Übel, Optimismus.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 419-426.
Lizenz:
Faksimiles:
419 | 420 | 421 | 422 | 423 | 424 | 425 | 426
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann von Fallersleben, August Heinrich

Deutsche Lieder aus der Schweiz

Deutsche Lieder aus der Schweiz

»In der jetzigen Zeit, nicht der Völkerwanderung nach Außen, sondern der Völkerregungen nach Innen, wo Welttheile einander bewegen und ein Land um das andre zum Vaterlande reift, wird auch der Dichter mit fortgezogen und wenigstens das Herz will mit schlagen helfen. Wahrlich! man kann nicht anders, und ich achte keinen Mann, der sich jetzo blos der Kunst zuwendet, ohne die Kunst selbst gegen die Zeit zu kehren.« schreibt Jean Paul in dem der Ausgabe vorangestellten Motto. Eines der rund einhundert Lieder, die Hoffmann von Fallersleben 1843 anonym herausgibt, wird zur deutschen Nationalhymne werden.

90 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon