Eigenschaft

[237] Eigenschaft ist eine dem Dinge eigene Art zu sein, eine Seinsweise des Dinges; dieses ist die Einheit, der »Träger« seiner Eigenschaften. Im Begriffe der Eigenschaft liegt erstens die (empirische) Zugehörigkeit zu einem Dinge, das Enthaltensein eines Etwas in einem Complex, zweitens die Beziehung der »Inhärenz« (s. d.), das »Haben« des Quale seitens des Dinges, analog gedacht dem Verhältnisse der Bewußtseinszustände zum erlebenden Ich. Formal entsteht der Eigenschaftsbegriff als Product der analytischen Function der Apperception (s. d.) zugleich mit dem Dingbegriff, wobei die innere Erfahrung vorbildlich ist. Die Eigenschaft ist das, was dem Dinge als (relativ) dauernder, constanter, in dessen »Wesen« begründeter Zustand zuerkannt wird. Die Eigenschaften der Dinge zerfallen in Qualitäten (s. d.), Quantitäten (s. d.) und dynamische Eigenschaften. Von den sinnlichen sind die begrifflich-wissenschaftlich gesetzten Eigenschaften zu unterscheiden, von den empirisch-phänomenalen die transcendenten Eigenschaften der Dinge zu sondern. Endlich lassen sich noch physische (materielle) und psychische (geistige) Eigenschaften unterscheiden.

Nach ARISTOTELES ist eine Eigenschaft (idion), was einer bestimmten Art von Dingen zukommt. Es gibt ursprüngliche, primäre Eigenschaften (idia haplôs) und abgeleitete, secundäre Eigenschaften (idia kata symbebêkos, propria consecutiva) (Top. VI, 128 b 16). Die gleiche Definition der Eigenschaft bei PORPHYR und BOËTHIUS (»proprium« = »id quod soli alicui speciei accidit«, Isagog. p. 38). Nach THOMAS ist jede »passio« eine »qualitas, secundum quam fit alteratio« (5 met. 20c); »passiones« heißen die Zustände eines Dinges, »quia passionem ingerunt sensibus vel quia ab aliquibus passionibus causantur« (7 phys. 4b). CHR. WOLF erklärt: »Attributa, quae per omnia essentialia simul determinantur, dicuntur proprietates« (Philos. rat. § 66). K. ROSENKRANZ bemerkt: »Das wahrhafte Ding an sich sind die Unterschiede, welche das Wesen in seine Existenz setzt. Die Unterschiede sind das dem Ding Eigene, wodurch es dies Ding ist. Sie sind seine Eigenschaften.« »Das Ding ist seine Eigenschaften« (Syst. d. Wiss. § 109 ff.). HERBART findet im Begriff des einen Dinges (s. d.) mit vielen Eigenschaften einen Widerspruch. Nach LOTZE sind die Eigenschaften »nichts, was ein für allemal die Natur der Dinge ausmachte, sondern sie sind etwas, was den Dingen unter Umständen widerfährt, oder Arten, wie sie sich unter Bedingungen verhalten« (Gr. d. Met.2, S. 17). WUNDT betont daß »in einem einigermaßen exacten Sinne als Eigenschaften eines Körpers nur solche Prädicate gelten können, die ihm dauernd als ihm selbst angehörige Merkmale zukommen, nicht Wirkungen, die der Körper erst ausübt oder empfängt, wenn er unter bestimmte Bedingungen versetzt wird« (Phil. Stud. XIII, 386). Der Eigenschaftsbegriff ist eine logische Kategorie (s. d.). Nach UPHUES sind sinnliche, mathematische, mechanische Eigenschaften zu unterscheiden (Psychol. d. Erk. I, S. 43). Nach R. HAMERLING sind die Eigenschaften »nicht objective Wesenheiten der Dinge..., sondern Wirkungen derselben auf unsere Sinne« (Atom. d. Will. I, 15). Nach HÖFFDING sind die Eigenschaften eines Dinges[237] »nichts als die verschiedenen Arten und Weisen, wie dieses Ding andere Dinge beeinflußt und von diesen beeinflußt wird. Sie sind dessen Fähigkeiten des Wirkens und des Leidens« (Religionsphil. S. 31). JERUSALEM sieht in den Eigenschaften die »potentiellen Wirkungen« der Dinge (Lehrb. d. Psychol.3, S. 100). Nach SCHUPPE sind Ding und Eigenschaft Correlatbegriffe. »Was als Eigenschaft gedacht resp. in der Form des Eigenschaftswortes ausgesprochen wird, hat also diese Beziehung schon in sich, daß es mit anderem zusammen das so und so benannte Ganze ausmacht, etwas von allem demjenigen ist, was durch die... Gesetzlichkeiten die Einheit eines Dinges ausmacht« (Log. S. 131 ff.). Die Eigenschaftsbegriffe »verknüpfen nicht ein Zusammen von, Erscheinungen auf Grund vermuteter oder erschlossener Zusammengehörigkeit, sondern haben in erster Linie ein Objectsverhältnis und combinieren Motive, Bedingungen, Zwecke, so daß die Mehrheit der wahrnehmbaren Einzelheiten nur als die natürliche Consequenz aus dem einen Principe und Grunde erscheint« (l.c. S. 162). Nach SCHUBERT-SOLDERN ist jede Eigenschaft eines Dinges eine »causale Beziehung zu anderen Dingen« (Gr. e. Erk. S. 132); sie ist »das an einem Ganzen, einem Zusammen von Daten unterschiedene einzelne Datum oder eine unterschiedene 'Teilgruppe desselben, bezogen auf das Zusammen als causal oder räumlich zu ihm gehörig« (l.c. S. 146).

Die Eigenschaften werden also bald der dinglichen Einheit gegenübergestellt, bald als Bestandteile, Factoren des Dinges selbst aufgefaßt. Die Realität der Eigenschaften anbelangend s. Qualität. Vgl. Attribut, Zustand.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 237-238.
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