Princip

[136] Princip (principium, archê): Anfang, Ausgangspunkt, Ursprung, Grund, Voraussetzung. Princip ist alles, woraus daß Dasein eines Etwas ursprünglich ableitbar, begreiflich ist, woraus etwas hervorgegangen ist, sich entwickelt hat Realprincipien sind die Grundlagen, die »Urgründe« der Dinge (metaphysische Principien, s. Principien), Idealprincipien die Grundvoraussetzungen, Grundsetzungen des Denkens (der Denkinhalte), Erkennens, Handelns (theoretische und praktische Principien formaler und materialer Art).

Nach PLATO muß die Philosophie bis zu letzten (»ersten«), ursprünglichen, unableitbaren Sätzen, Principien (archai, Phaedr. 101 E. vgl. 107 B) zurückgehen. Vom Princip der Bewegung, archê kinêseôs, spricht Plato (Phaedr. 245 D). archê geneseôs (Tim. 28 B, 29 E). Beweisgrund archê apodeixeôs (Phaedr. 245 C). ARISTOTELES versteht unter epistêmonikai archai (Top. I 1, 100b 18) die selbstgewissen Anfänge, Grundlagen des Ermessens (s. Rationalismus). Das Princip ist die prôtê tôn aitiôn (De gener. et corr. I 7, 324 a 27), das, woraus etwas ist oder wird oder erkannt wird: pasôn men oun koinon tôn archôn to prôton einai hothen ê estin ê gignetai ê gignôsketai. dio hê te physis archê kai to stoicheion kai hê dianoia kai proairesis kai ousia kai to hou heneka (Met. V 1, 1012 b 34 squ.. vgl. Principien). Die Stoiker unterscheiden Elemente und (ewige) Principien: diapherein de phasin archas kai stoicheia. tas men gar einai agenêtous kai aphthartous, ta de stoicheia kata tên ekpyrôsin phtheiresthai. alla kai asômatous einai tas archas kai amorphous, ta de memorphôsthai (Diog. L. VII 1, 134).

ALBERTUS MAGNUS erklärt: »Principium est nomen significans essentiam« (Sum. th. I, 41, 1). »Primum principium (Urprincip) est, quod esse non habet ab alio, sed a se ipso, et facit debere esse in omnibus, quae sunt« (l. c. II, 3, 1). Nach THOMAS ist Princip alles, »a quo aliquid procedit quocumque modo« (Sum. th. I, 33, 1 C), »quod est primum aut in esse rei... aut in fieri rei...[136] aut in rei cognitione« (5 met. 1 b). Es ist zu unterscheiden: »principium activum, passivum, agens, finale, circa quod, ex quo (= archê peri ho te kai ex hou«, Aristoteles, Anal. post. I 32, 88 b 27) (1 anal. 43 m). – Nach GOCLEN ist Princip »primum, unde aliquid aut est, aut fit, aut cognoscitur« (Lex. philos. p. 870). Nach MICRAELIUS ist Princip »a quo aliud procedit, seu est origo processions alterias, unde aliquid emanat« (Lex. philos. p. 894). Es gibt: »principia logica« oder »technica (cognoscendi)«, »realia« oder »essendi«. Die Erkenntnisprincipien sind »ratio quaedam, per quam tanquam per se totam innotescit aliud« (Lex. philos. p. 894). – Nach HOBBES werden die Principien der Wissenschaft constructiv aufgestellt: »Principia sunt artis sive constructionis, non autem scientiae et demonstrationis.« Nach CHR. WOLF ist Princip »quod in se continet rationem alterius« (Ontolog. § 866. s. Grund). so auch BAUMGARTEN (Met. § 307). BERKELEY versteht unter »principles« Grundsätze, Elemente des Erkennens (Principl., Einl. IV). HUME sowohl allgemeine Sätze, Einsichten als auch die realen Gründe von Erscheinungen (vgl. Treat., übers. von Lipps, Einl. S. 1). REID versteht unter »principles« Grundannahmen des »Gemeinsinnes« (s. Principien). CONDILLAC erklärt: »Principe est synonyme de commencement« (Log. II, 6). DESTUTT DE TRACY meint: »Les seuls vrais principes, ce sont les faits« (El. d'idéol. IV, p. 22) Nach J. BENTHAM ist »principle« »applied to any thing which is conceived to serve as a fondation or beginnning to any series of operation in the present case« (Introd. I, ch. 1, p. 3).

KANT nennt »Erkenntnis aus Principien« diejenigen, wodurch das Besondere im Allgemeinen begrifflich erkannt wird (Krit. d. r. Vern. S. 265). Principien sind »synthetische Erkenntnisse aus Begriffen«, »comparative« Principien allgemeine, aber nicht letzte Sätze (l. c. S. 266). Die »Kritik der reinen Vernunft« (s. d.) sucht die Kategorien (s. d.) nach Principien auf. Subjectives Princip des Erkennens ist die transcendentale Apperception (s. d.). KRUG versteht unter den »obersten Principien der philosophischen Erkenntnis« »Gründe und Grundsätze, welche unmittelbar oder durch sich selbst gewiß... sind« (Fundamentalphilos. S. 48. Handb. d. Philos. I, 36 ff.). Die Principien werden postuliert (Handb. d. Philos. I, 37). Es gibt Real- und Idealprincipien (l. c. S. 37 ff.), Material- und Formalprincipien (l. c. S. 39 ff.). Oberstes Materialprincip der philosophischen Erkenntnis ist der Satz: »Ich bin tätig« (l. c. S. 40). oberste. Formalprincip die Forderung absoluter Harmonie in aller Tätigkeit des denkenden Ich (l. c. S. 42). FRIES erklärt Princip als »höchstes Allgemeines in unsern Vorstellungen, welches nicht wieder in anderer Hinsicht ein Besonderes sein kann« (Syst. d. Log. S. 268). ESCHENMAYER definiert: »Princip ist, was ein ganzes System von Begriffen zur Einheit verknüpft« (Psychol. S. 106). Nach HILLEBRAND ist Princip »der Begriff, insofern er in seiner Allgemeinheit sich zugleich als sein eigener Grund construiert« (Philos. d. Geist. II, 89). Nach BACHMANN ist Princip »das Erste jeder Art für irgend eine Reihe, insofern sie daraus entspringt und sich aus ihm herleiten läßt« (Syst. d. Log. S. 478 f.). K. ROSENKRANZ erklärt: »Als Princip ist die Idee die Existenz ihrer selbst als der unmittelbaren Einheit des Begriffs und seiner Realität.« »Sie ist Princip, weil sie nicht aus anderem, nur aus sich selber hervorgeht« (Syst. d. Wissensch. S. 119 ff.). Nach HERBART sind Principien »diejenigen Begriffe oder Verbindungen von Begriffen, welche zu Anfangspunkten im Philosophieren dienen können« (Lehrb. zur Einl.5, S. 53). L. GEORGE bemerkt: »Die Urteilsbildung über einen Gegenstand, welche es zu einem vollständigen Begriff[137] von demselben bringt, gibt die Erkenntnis des Princips« (Lehrb. d. Psichol. S. 504). Nach VOLKMANN sind Principien jene Erkenntnisse, »von welchen man bei Lösung des Problems auszugehen hat« (Lehrb. d. Psichol. I4, 3). Vgl. Principien, Ursprung.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 2. Berlin 1904, S. 136-138.
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