Morgengruß

[240] Mel. von J.Fr. Reichardt.


Sie.


Wonne, Wonne still in Schauern

Dich umfangen, frische Luft,

Sinnend auf die Strahlen lauern

Spielend durch den Morgenduft.


Er.


Sonne, Sonne, dich belauern

Glühendroth im Morgenduft.


Sie.


Athmen, Athmen, nahend Leben,

Wellen in dem Ährenstrom,

Wie des Morgensterns Erheben

Sich verlieret im blauen Dom.


[240] Er.


Wie der Lerche laut Erheben

Sich verliert im blauen Dom.


Sie.


Flügel, Flügel der Gedanken

Heben mich zur Sonnenpracht;

Wie die Ströme silbern ranken,

Aus der Berge Mondennacht.


Er.


Enge sind des Mondes Schranken,

Weit, o weit die Sonne lacht.


Sie.


Blumen, Blumen, stille Wesen.

Fülle winkt im tiefen Grund,

Ihr zu Flammen auserlesen

Sinkt auf seinen rothen Mund.


Er.


Nieder müde Blüthen thauen,

Einen Strauß von ihrer Brust,

Durch die Gluthen sie zu schauen,

Wirft der Liebe Sonnenlust.


Sie.


Athmen, athmen, nahes Leben,

Bebend Herz im Blumenstaat,

Wie zwei Schmetterlinge schweben,

Mund auf Mund gelebet hat.


Er.


Wonne, Wonne, still in Schauern

Dich umfangen hell Gesicht,

Sonne, Sonne, soll es dauern,

Wie mein Auge taucht in Licht.


Quelle:
Achim von Arnim: Sämtliche Werke. Band 22: Gedichte, Teil 1, Bern 1970, S. 240-241.
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