257.

[488] Die Zwerge heißen plattdeutsch Unnererdsken, rote Jungens, Erdmännken, Erdmünnken (Hatten), Erdwichter (Ammerld.), Uellken, Ulken, Aulken, Ölken oder Aunken (Ölkenberg bei Damme) im Münsterland, Swalwen (Rhauderfehn), Mürrewifer (Wangeroge; man scheint dort nur weibliche Zwerge zu kennen). Der Glaube an sie ist weit verbreitet, doch weniger, als ob sie noch gegenwärtig hier lebten; meist wird vielmehr angenommen, es habe früher Zwerge gegeben, da und dort hätten die letzten gelebt, da und dort hätten sie das Land verzogen; jetzt aber seien keine mehr vorhanden. Die Zwerge haben manches Verwandte mit dem Kobold; aber während dieser einzeln erscheint, treten jene meist in Gesellschaft auf. Sie haben das Ansehen kleiner Menschen und üben im allgemeinen menschliche Sitten, sind auch sterblich wie die Menschen. Meist wohnen sie in kleinen Hügeln, aber auch unter den Häusern und Ställen der Menschen, kommen auch häufig in die Häuser und dreschen in den Backöfen der Bauern. Einer sah einmal, daß sich die Unterirdischen in einem Pferdestall versammelt hatten: »Luter lütjet Volk weer da binanner.« Sie sind ein wenig diebisch, namentlich lieben sie Speise und Trank der Menschen, naschen des Nachts von ihrem Brote, doch nur,[488] wenn es angeschnitten ist (Löningen) und trinken von ihrem Biere. Indessen pflegen sie sich für das Genossene dankbar zu bezeigen, tun ungesehen die Arbeit im Hause oder bezahlen mit barem Gelde oder lassen das Trinkgefäß zurück, mit welchem sie das Bier aus dem Braukessel geschöpft haben, zuweilen silberne Becher in alter Arbeit, mit Bildern und Sinnsprüchen verziert. Ihre Trinkgefäße bringen den Menschen Glück, und überhaupt, wo die Zwerge sich regelmäßig einfinden, da ergeht es den Menschen wohl. Wer sie aber dennoch fern halten will, der bezeichne Brot und Bierkessel mit einem Kreuze. Nicht angeschnittenes oder mit Kreuzen gezeichnetes Brot lassen sie unberührt. Noch vor 40 bis 50 Jahren konnte man im Amte Cloppenburg beobachten, daß alte Leute, wenn sie einen frischen Laib Brot anschneiden wollten, zuvor drei Kreuze in die Oberseite schnitten. (So wird aus Bunnen gemeldet).

Mitunter holen die Zwerge Menschen in freundlicher Absicht, oder weil sie ihrer Handreichungen bedürfen, zu sich herbei, aber sie stehlen und rauben auch Kinder, namentlich ungetaufte, und erwachsene Menschen und schieben für die ersteren Wechselbälge unter, alte häßliche, dickköpfige Wesen ihrer eigenen Art. Es ist daher notwendig, daß in der Stube einer Wöchnerin während der Nacht ein Licht brenne, denn das Licht scheuen sie.

Die Zwerge sind klug und verstehen sich auf mancherlei Künste, namentlich sind sie gute Schmiede in allen Metallen. Sie sind klüger als die Menschen es ehemals waren; jetzt aber, heißt es, werden ihnen die Menschen zu klug, und dies ist auch der Grund, warum die Zwerge sich verloren haben.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. CDLXXXVIII488-CDLXXXIX489.
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