Anlassen

[220] Anlassen (Anlaufen), Bildung einer dünnen Oxydschicht bei Metallen und Veränderung des Härtegrades durch Erhitzen, namentlich bei Legierungen angewendet, die zu Zimbeln, Tamtams, Glocken u.s.w. dienen.

Die Metallegierung, an und für sich spröde, erhält erst nach dem Gusse ihre erforderliche Eigenschaft, indem die fertiggegossenen Gegenstände noch glühend in kaltes Wasser getaucht, dann gehämmert und endlich durch nochmaliges Erhitzen und Abkühlen weich und klangreich gemacht werden. Die Legierung von Kupfer mit Zinn hat die Eigenschaft, daß, während der Stahl durch die Abkühlung größere Härte erlangt, diese Mischung, schnell abgekühlt, merklich weicher und dehnbarer wird, und man benutzt diese Eigenschaft, indem man die Legierung bis zu dunkler Rotglut oder, bei dünneren Gegenständen, bis zur Schmelzhitze des Bleies erhitzt und in Wasser taucht. Nach diesem, auch Abduzieren genannten Verfahren behandelte Bronze läßt sich mit dem Hammer bearbeiten und ausdehnen, ohne Risse zu bekommen oder zu zerspringen. – Anlassen des Stahls. Man kann dem Stahl verschiedene Grade der Härte geben, welche man aus der Farbe, die er, glühend gemacht und durch Ablöschen in kaltem Wasser gehärtet, bei langsamem Erhitzen annimmt, erkennt. Zuerst wird er strohgelb; diese Farbe zeigt die größte Härte an; die gelbe Farbe geht hierauf in Rot über, dann in Violett, Dunkelblau und Grün. Die größte Elastizität besitzt der Stahl, wenn man ihn dunkelblau anlaufen läßt, weshalb man auch für Uhrfedern solchen Stahl benutzt. Nachdem er die verlangte Farbe angenommen hat, löscht man ihn wieder in Wasser ab, wodurch er nun nicht härter wird, als nach der Farbe geschlossen werden kann, während er beim unmittelbaren Härten, nachdem er bis zum Rotglühen erhitzt worden war, Glashärte annimmt, d.h. zu spröde ist, um zu Werkzeugen gebraucht zu werden. Will man gehärteten Stahl wieder weich machen, so wird er vorsichtig und unter einer Kohlendecke zum Rotglühen erhitzt und unter heißer Asche langsam abgekühlt. Alter Stahl, der verarbeitet werden soll, muß zuerst auf diese Weise weich gemacht werden. Das Anlassen von Hart- und anderm Eisenguß besteht in dem plötzlichen Eintauchen des Eisengusses in eine Flüssigkeit von bestimmter Temperatur, um denselben auf diese Weise zu befähigen, gerade wie Schmiedeeisen durchschlagen, gebohrt u.s.w. werden zu können. Wesentlich ist dabei der Grad der Temperatur des Eisens, bei dem es in die Flüssigkeit gebracht wird, und dieser Grad ist erreicht, sobald das Eisen auf eine matte Rotgluthitze erhitzt ist, d.h. sobald die Röte auf dem Punkte ist, zu verschwinden. Die Flüssigkeit, in welche das Eisen getaucht wird, kann aus beliebigen Bestandteilen zusammengesetzt sein, sobald sie nur keine Säuren oder sonst dem Eisen schädliche Bestandteile enthält, die besten Resultate jedoch hat man mit einer Lösung von Jodsirup in Wasser bei einem spez. Gew. von 1,005 erreicht. Wenn das Eisen aus der Schale oder dem Sande heiß genug für den Prozeß genommen werden kann, so wird es direkt in die Flüssigkeit getaucht, andernfalls aber in einem Ofen wieder etwas über den erforderlichen Wärmegrad erhitzt, dann bis auf matte Rotglut abgekühlt und hierauf erst in die Flüssigkeit gebracht.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 220.
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