Anstreichen

[227] Anstreichen, Ueberziehen der Oberfläche eines festen Körpers (Holz, Metall, Leinwand, Stein, Papier u.s.w.) mit einer mehr oder weniger flüssigen Substanz, die entweder ganz oder teilweise in die Poren des Körpers eindringt, also von ihm aufgesaugt wird und dann eine chemische oder auch (wie bei den meisten Anstrichen) nur eine mechanische Verbindung eingeht, endlich aber auch nur, wie auf Metallen, an der Oberfläche des Gegenstandes haften bleibt und nach dem Verdunsten oder der Oxydation eines der Bestandteile des Anstrichmittels einen mehr oder weniger festen Ueberzug bildet.

Es ist dabei ganz gleichgültig, ob mit diesem Ueberziehen eine Tränkung des zu behandelnden Gegenstandes – also ein Farbenauftrag – verbunden ist oder nicht. Ob eine nur mechanische oder eine chemische Verbindung des Anstriches mit der Unterlage stattfindet, hängt sowohl von dieser als auch von der Beschaffenheit des Anstrichmittels ab. So geht z.B. der Wasserglasanstrich mit der unten liegenden Mörtelschicht, ebenso auch der Kaseinanstrich mit derselben eine Verbindung ein, während Oel-, Leim- und Wasserfarben sich in die Poren des Holzes, der Leinwand einziehen, dieselben ausfüllen und eine mechanische Verbindung der Farbe mit dem angestrichenen Objekte ermöglichen. Auf Metallen kann mit den gebräuchlichen Anstrichmitteln nie eine chemische Verbindung erzielt werden; hier haftet der Anstrich nur seiner Beschaffenheit nach mehr oder weniger fest und läßt sich leichter oder schwieriger entfernen. Zweck des Anstreichens ist, Gegenstände aller Art mit einer schützenden, den äußeren Einflüssen, wie Luft, Sonne, Nässe oder Reibung (durch Staub, Sand u.s.w.) widerstehenden Schicht zu versehen, die entweder eine gewisse Elastizität oder eine gewisse Härte besitzt, gleichzeitig aber auch ihnen ein dem Auge gefälligeres Aussehen zu verleihen, also das Material zu verdecken.

Auf Mauerwerk, Holz u. dergl. wird der gewöhnlichste und billigste Anstrich mit Kalkfarben gemacht; streicht man eine Mauer, eine Wand einmal oder mehrere Male mit Kalkmilch ohne Zusatz eines Farbkörpers an, so nennt man dies »Weißen« oder »Weißeln«. Da aber weiße Wandflächen dem Auge nicht angenehm sind, so setzt man der Kalkmilch Lackmus, Kupfervitriol oder aber Farbkörper zu, die das. Weiß nuancieren, selbst aber kalkbeständig sind. Als Farbkörper dienen Erd- oder Mineralfarben. Die mit diesen Mischungen gemachten Anstriche, die man auch mit dem Namen »Färbeln« bezeichnet, färben ab und sind auch nicht wetterbeständig, weshalb man den Kalkfarben verschiedene Substanzen zusetzt, die ein teueres Haften derselben vermitteln; es werden benutzt: Seifensiederlauge, Soda-, Alaun- oder Kochsalzlösung, Heringslake, Milch, Leinöl oder Leinölfirnis; ein Zusatz von nur 5% des letzteren gibt dem Kalkanstrich eine ziemliche Dauer.

Leimfarbenanstriche (in jüngster Zeit wird statt tierischen Leims vielfach aufgeschlossene Stärke verwendet) können nur im Innern von Gebäuden gemacht werden; deren Anwendung erfordert, daß man die frische Verputzfläche mit Leimlösung oder in heißem Wasser gelöster Schmierseife vorgrundiert. Unter den billigen Anstrichfarben sind auch die Blut- und Käsefarben zu erwähnen. Blut und Käse haben das Bestreben, sich bei Vorhandensein von Wasser mit Aetzkalk zu verbinden, und geben, wenn bei Beginn der Verbindung Wasser nicht genügend vorhanden war, Gallerte, bei angemessener Menge von Wasser dagegen Flüssigkeiten, die sich in Verbindung mit Farbkörpern, deren Wahl allerdings eine beschränkte ist, als Anstrichmittel eignen und getrocknet eine seite, hornartige, in Wasser, verdünnten Säuren und Alkalien unlösliche Masse hinterlassen und ziemlich dauerhaft sind. Chlorzink und Wasserglas gehen ebenfalls eine chemische Verbindung mit dem Mörtel ein, Chlorzink, Eisenvitriol, Sublimat und Kupfervitriol leisten auf Holz zur Konservierung gute Dienste, ersteres läßt sich auch auf Eisen verwenden, doch findet es wenig Anwendung. Die Vorteile des Wasserglasanstriches sind sehr bedeutende, leider stellen sich seiner Anwendung Schwierigkeiten in den Weg, die hauptsächlich in dem leichten Verwittern der gemachten Anstriche infolge Aufnahme von Kohlensäure aus der Luft und der leichten Zersetzbarkeit der schon bereiteten Farben bestehen. Wasserglasanstriche sind wesentlich billiger als Oelanstriche, sie sichern das Holz gegen Schwamm, Wurm und Fäulnis, schützen es vor allzu raschem Verbrennen, trocknen sehr schnell, dunkeln nicht nach, sind vollkommen geruchlos und haben keinen Glanz, was vom Standpunkte des Architekten als ein großer Vorteil gilt.

Dauerhaft, aber ebenfalls nur im Innern von Gebäuden anwendbar sind Wachsfarbenanstriche, die auch den Vorteil haben, daß sie nicht nachdunkeln; sie eignen sich als [227] Anstrich auf Stein, Kalk- und Gipsmörtel, also für Dekoration von Stiegenräumen, Vorhäusern, Badezimmern u.s.w. und zeigen nach dem Frottieren einen matten Glanz.

Oelfarben übertreffen hinsichtlich Dauerhaftigkeit und Einfachheit der Anwendung zum Ueberziehen von Objekten aller Art aus Holz, Stein, Metall, Geweben, von Mauerwerk, alle vorgenannten Anstrichmittel, sie liefern haltbare und schöne Anstriche, lassen sich leicht auftragen, ermöglichen die Wahl jeder beliebigen Farbennuance und lassen sich beliebig mit Wasser waschen, so daß selbst nach Jahren und gänzlich verrußt sich dieselben leicht reinigen lassen. Sie liefern eine feste mechanische Verbindung mit dem Material, auf das sie aufgetragen werden, also auf Holz, Stein, Stoff, Mauerwerk und haften auch, richtig zubereitet und angewendet, auf Metallen besser als andre Anstreichmittel. Das Anstreichen mit Leinöl oder Leinölfirnis ohne jeden Farbkörper ist, namentlich wenn die Oele heiß aufgetragen werden, außerordentlich vorteilhaft, das Oel dringt tief in Holz, Stein und Mauerwerk ein und bindet die nachfolgenden Anstriche besonders seit.

Emailfarben, auch Porzellanemailfarben, Emails, Glasuren werden gegenwärtig zu inneren und äußeren Anstrichen ziemlich ausgedehnt verwendet, geben Farbe und Glanz in einem Anstrich, so daß das Ueberlackieren erspart wird. Gute Qualitäten sind sehr dauerhaft.

Asphalt- und Teerfarben gestatten als Anstrichfarben nur eine sehr beschränkte Anwendung; sie dienen als Surrogat für Oelfarben, haben einen durchdringenden Geruch, der auch nach dem Trocknen noch andauert, und werden erst nach langer Zeit oder auch gar nicht hart. Sie werden auf Steine und ungehobeltes Holz angewendet, hie und da auch auf Eisen und Eisenblech. Zu den Surrogaten für Oelfarben gehören auch die Harzölfarben, die sich indessen, wo sie in ernstliche Konkurrenz zu den Oelfarben getreten sind, auch nicht bewährt haben, so daß nur Leinöl- und Leinölfirnisfarben wirklich dauerhafte Anstriche zu liefern vermögen.


Literatur: Andés, Praktisches Handbuch für Anstreicher, 2. Aufl., Wien 1892; Kreuzburg, Lackierkunst, 11. Aufl., Leipzig 1902.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 227-228.
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