Bauleitung

[587] Bauleitung, zunächst 1. Inbegriff aller zur Vorbereitung, Ausführung und Abrechnung eines größeren Baus erforderlichen Verwaltungsgeschäfte, die durch eine wohl zu gliedernde Beamtenschaft ausgeübt werden, sodann 2. auch Bezeichnung für diese Beamtenschaft selbst.

Bei architektonischen Ausführungen ist die Baustelle fast stets auf einen verhältnismäßig kleinen Raum beschränkt, die Uebersicht erleichtert und deshalb fast ohne Ausnahme die Bauleitung einem einzigen Architekten übertragen, der das Hilfs- und Aufsichtspersonal anstellt und im Baubureau die zeichnerischen und schriftlichen Erledigungen leitet. Für große Bauausführungen von Eisenbahnen, Kanälen u. dergl. von seiten eines Staates oder einer Privatgesellschaft werden dagegen besondere Baudirektionen oder Baukommissionen bestellt oder von der bestehenden Eisenbahndirektion abgezweigt, sofern dieselbe nicht schon eine eigne »Neubauabteilung« besitzt. Solche Baukommissionen pflegen aus technischen und rechtskundigen Mitgliedern zusammengesetzt zu werden. Diesen Behörden – bei weniger umfangreichen Baustrecken von Eisenbahnen auch unmittelbar den Eisenbahndirektionen – werden die örtlichen Bauleitungen unterteilt, und zwar in Norddeutschland als »Bauabteilungen« (in Oesterreich »Bausektionen«) mit je einem Abteilungsbaumeister (auch Bauinspektor, Abteilungsingenieur) an der Spitze und »Sektionsbaumeistern« (auch Sektionsingenieuren, in Oesterreich »Losbauführern«) für die Teilstrecken der Abteilungen. Diesen pflegen dann »Bauführer« und das nötige Personal an Bauaufsehern u.s.w. für kleinere Bezirke oder einzelne größere Bauplätze unterstellt zu werden. Die Sektionsingenieure haben mit Hilfe ihres Personals alle Absteckungsarbeiten nach Maßgabe der Bauentwürfe auszuführen, auch diese, soweit nötig, zu ergänzen und umzugestalten, alle örtlichen Anordnungen zu treffen und deren sachgemäße Ausführung zu überwachen; ferner die regelmäßigen Rechnungen für die Abschlagszahlungen an die Unternehmer, sowie sonstigen Akkord- und Tagelohnrechnungen, soweit sie die Bauleitung direkt angehen, aufzustellen und dem Abteilungsbaumeister vorzulegen, ebenso auch nach Vollendung des Baues die Schlußabnahme und die Abrechnung zu bewirken. Sie haben sodann während der ganzen Bauzeit in regelmäßigen Zwischenräumen (Monaten, Vierteljahren) Berichte über den Baufortschritt einzusenden und ihre Baubücher (Baujournale) zu führen, in denen der dienstliche Schriftwechsel und jede wichtigere dienstliche Vornahme vermerkt wird, so insbesondere in den Materialien- und Inventarienbüchern der Verbleib der verwaltungsseitig gelieferten Materialien, Geräte, Instrumente u.s.w. Die Bauabteilung hat sodann die Aufsicht über die Sektionen zu führen, die sämtlichen Rechnungen zu prüfen, der Direktion (Baukommission) vorzulegen und sie nach deren Genehmigung bei der dazu bestimmten Kasse zur Zahlung zu bringen. Die Abteilung bedarf demnach eines größeren Personals, nämlich einiger Hilfstechniker und Zeichner, eines Rechnungsführers und meist noch weiterer Schreibhilfe, in der Regel auch einiger höherer technischer Hilfsbeamten (Baumeister, Bauführer, Ingenieure, unter Umständen auch Architekten). Die Kassengeschäfte werden häufig einem ortsangesessenen zuverlässigen Beamten oder Kaufmann übertragen, weil sie mit Vollendung des Baues aufhören. An Orten, wo die betreffende Verwaltung bereits eine Kassenführung (z.B. Fahrkartenausgabe) besitzt, kann dieser die Baukassenführung übertragen werden. Die Ausdehnung des Abteilungsbezirks ist je nach der Schwierigkeit des Baues sehr verschieden, bei Eisenbahnbauten von den kleinsten Strecken (etwa von 15 km) an bis 50 km oder mehr. – In Oesterreich, der Schweiz und teilweise auch in Süddeutschland entsprechen die »Sektionen« etwa den vorbezeichneten Bauabteilungen und die »Lose« den obengenannten Sektionen. Auch werden dort wohl mehrere solche Sektionen zu einem Bauinspektorat (auch »Bauabteilung«) als besondere Stufe vereinigt, die der Zentralbehörde (Baudirektion) untersteht. – Von der zweckmäßigen Gliederung der Bauleitung und der Besetzung der verschiedenen Aemter mit durchaus sachkundigen und zuverlässigen Beamten hängt der rasche und zugleich sparsame Fortgang des Baues, sowie dessen gediegene Ausführung wesentlich ab. Beides ist nur dann zu erreichen, wenn einerseits mit technischem Personal nicht zu sehr gespart wird, dem einzelnen also nicht zu lange Baustrecken übertragen werden, anderseits aber auch eine zu große Zahl von Instanzen und eine die notwendige Verfügungsfreiheit des einzelnen lähmende Weitläufigkeit des Geschäftsganges vermieden wird, was bei Staatsbauten oft nicht der Fall ist. – Ueber die Art der Bauausführung (Bausystem) in Regie und in Unternehmung vgl. Bauvollzug. Bei dem Regiebau liegt die gesamte Bauleitung bis herab zu den Bauaufsehern, Schachtmeistern und Vorarbeitern dem Bauherrn (der bauenden Staatsbehörde oder Privatgesellschaft) ob, verlangt also ein sehr umfangreiches Personal. Bei dem Bau in Generalunternehmung ist die Bauleitung dagegen deren Sache, und der Bauherr beschränkt sich – je nach der Vertrauenswürdigkeit der Unternehmung – auf Materialprüfungen, Maßkontrolle und auf mehr oder weniger häufige Insichtnahme der Baustrecke durch einen Oberingenieur oder dessen Gehilfen. Bei der in den meisten europäischen Ländern vorherrschenden mittleren Ausführungsart, dem »Akkordbau mit Nachmessung«, bedarf der Bauherr einer wohlgegliederten Bauleitung bis herab zu den Bauaufsehern, jedoch mit weniger Beamten als beim Regiebau; die Unternehmer pflegen dann ihrerseits mit Vorarbeitern und Schachtmeistern unter eigner Beaufsichtigung oder solcher durch ihrerseits angestellte Bauaufseher zu arbeiten, große Unternehmungen auch mit eignen Ingenieuren.

Goering.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 587.
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