Industrieausstellungsgebäude

[191] Industrieausstellungsgebäude erhalten je nach der Ausdehnung, dem Zwecke und der Dauer der Ausheilung eine sehr verschiedenartige Ausgestaltung.

Für dauernde Ausstellungen sind monumentale Bauten von Stein, Eisen und Glas, für vorübergehende aber solche aus Holz oder Eisen und Glas zur Ausführung zu bringen. Erstere finden am besten im Mittelpunkt des Verkehrs einer Stadt in fest beschränktem Rahmen ihren Platz. Jene der zweiten Art, besonders solche für internationale oder Weltausstellungen, bedürfen ein weites Gelände und sind deshalb außerhalb der Städte, jedoch in der Nähe von Eisenbahnen und durch Lokalbahnen erreichbar, wenn tunlich in parkartigen Anlagen, anzuordnen.

Bei größerer Ausdehnung genügt ein einziges Gebäude nicht; es sind vielmehr mehrere Gebäude, nach den verschiedenen Gebieten der Industrie und sonstigen Zwecken getrennt, so anzuordnen, daß eine übersichtliche Vergleichung der Leitungen möglichst erleichtert und durch gedeckte Gänge u. dergl. eine geeignete Verbindung hergestellt wird. Es empfiehlt sich, die Erzeugnisse der Gewerbe und Fabriken, der Kleinkunst u.s.w. in einem großen Hauptgebäude zu vereinigen, die Maschinen aber gemeinsam in einem getrennten langen Gebäude aufzustellen,[191] in welchem die Kraftübertragung am einfachsten stattfinden kann. In konstruktiver Hinsicht führt die Bedingung einer gleichmäßigen guten Beleuchtung zur Anwendung zusammenhängender, durch Oberlicht zu erleuchtender Räume, welche mit oder ohne Galerien einen weiten einheitlichen Flächenraum bedecken. Bei verhältnismäßig geringeren Baukosten, leichter Zugänglichkeit und bequemer Verschiebbarkeit des zuzumessenden Raumes haften diesem System jedoch schwere Mängel an. Der Mittelraum bietet keine Wandflächen; solche müssen vielmehr nach Bedarf eingestellt werden, wodurch die Uebersichtlichkeit Not leidet. Noch Schwerwiegender ist der Mangel an Erweiterungsfähigkeit des Raumes, die nur durch Ausbauten oder Galerien herbeizuführen ist; die ersten sind unschön, die letzteren unbequem und daher wenig besucht. Als geeigneter erweist sich daher der Bau von aneinander gereihten Hallen, bestehend aus einer basilikalen Haupthalle mit senkrecht oder radial anstoßenden Seitenhallen und dazwischen liegenden Höfen (zuerst am Weltausstellungsgebäude zu Wien 1873). Dies System (Fischgrätensystem) vereinigt mit großer Uebersichtlichkeit und klarer Raumverteilung die beste Beleuchtungsart durch hohes Seitenlicht. Es bietet weite und hohe Seitenwände zur Aufstellung oder den Vorteil der Ausbildung von seitlichen Kabinetten oder Kojen zu geschlossenen Einzelräumen und hiermit ein erwünschtes Mittel zur intimeren Behandlung der Ausstellungsgegenstände. – Als nachteilig treten die bedeutenderen Herstellungskosten auf, wenn nicht Sorge getragen ist, daß eine Wiederverwendung des Gebäudes ermöglicht werden kann. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, haben die Ingenieure Pröll und Scharowsky das Gebäude der Hygieneausstellung in Berlin 1883 [7] konstruiert; dasselbe besteht aus gleichgroßen quadratischen zusammensetzbaren Teilen, welche zur Bildung eines Lang- oder Tiefbaues dienen können. Zur Erhöhung der Gesamtwirkung ist es vorteilhaft, einen Hauptmittelraum zu schaffen, welcher den Hauptzugang bildet und für festliche Vereinigung sowie zur Aufstellung besonderer Glanzstücke der Aussteller dient. An Nebenräumen sind erforderlich: Seitenzugänge, Kassenräume, Garderoben mit Aborten an geeigneten Plätzen, Kisten- und Verpackungsräume u. dergl.

Die erste große Ausstellungshalle in London 1851 [10], welche, in Eisen und Glas konstruiert, die Nachbildung eines großen Gewächshauses zu Chatsworth [1] zeigte, hatte neben seiner großen Wirkung manche Mängel. Das noch heute bestehende Ausstellungsgebäude in München 1854 [3] bildete in konstruktiver Hinsicht wesentliche Fortschritte, welchen in rascher Folge die stets sich steigernden Ausfüllungen zu London 1862 [3], Paris 1867 [8], Wien 1873 [3], Philadelphia 1876 [5] u.s.w. jeweils neue hinzufügten, so daß die Eisentechnik hierdurch mächtig entwickelt und gefördert wurde, während die Anwendung von Holz für ähnliche Zwecke durch die großen Brände von Berlin und Sydney in Abnahme kam und nur für räumlich kleinere Bauten noch beibehalten wurde.

Die innere Ausschmückung des Gebäudes kann, neben dem Glanz der Ausstellung selbst, meist als nebensächlich betrachtet werden.

Die Literatur über diese Gebäudeart ist eine überaus zahlreiche, indem die Fachzeitschriften Deutschlands, Englands und Frankreichs sämtliche Ausführungen mehr oder minder eingehend veröffentlicht haben. Anzuführen sind: [1] Baukunde des Architekten, Berlin 1881, Bd. 2, S. 602. – [2] Handbuch der Architektur, 4. Teil, 6. Halbbd., S. 472 (mit weiterer Literaturangabe). – [3]Förster, L., Allgem. Bauztg., Wien 1840 ff. – [4] Zeitschr. f. Bauwesen, Berlin 1855 ff. – [5] Deutsche Bauztg, Berlin 1876 ff. – [6] Zentralbl. d. Bauverwalt. 1881 ff. – [7] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1883. – [8] Revue générale d'architecture, Paris 1855 f. – [9] Croquis d'architecture, Intime Club, Paris 1867–71 ff. – [10] The Builder, London, Bd. 8–37 ff. – [11] Building news.

Weinbrenner.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 191-192.
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