Kolbenwegdiagramm

[560] Kolbenwegdiagramm, Raumdiagramm, Volumendiagramm. Man versteht hierunter eine graphische Darstellung der Abhängigkeit der Kolbenwege, bezw. der bei diesen Kolbenwegen vom Kolben abgeschlossenen Zylinderräume von den Stellungen der Kurbel beim Schubkurbelmechanismus.

Ist nach Fig. 1 die Länge ab der Schubstange = L und AB = l = 2 r die Hublänge, also bc = r die Kurbellänge, so findet man den zum Kurbelwinkel w gehörigen, vom Totpunkt A gerechneten Kolbenweg sa, indem man mit L als Radius von dem Kreuzkopfzapfenmittelpunkt a durch den Kurbelzapfenmittelpunkt b den Bogen b d zieht; es ist dann A d = sa der Kolbenweg. Teilt man nun den halben Kurbelkreis A b B in n gleiche Teile und schlägt man durch diese Teilpunkte mit L als Radius bis zur Linie A B Kreisbogen; fällt man weiter von den so auf A B erhaltenen Punkten Lote und teilt man die beliebig anzunehmende Strecke A C ebenfalls in n gleiche Teile, so erhält man, wenn man durch die zuletzt auf A C erhaltenen Teilpunkte wagerechte Linien zieht, ein Netz ABCD, in das sich leicht die Linie AD einzeichnen läßt. Diese stellt die Abhängigkeit der Kolbenwege sa von den Kurbelzapfenwegen wa dar, wobei letztere im Maßstab A C : r π gegenüber[560] den auf dem Kurbelhalbkreise Ab B zu messenden Bogenlängen erscheinen. Es gilt A D für den ersten, D E für den zweiten, E F für den dritten Hub. Ist die Schubstangenlänge L gegenüber r sehr groß, so können die Bogen b d der Fig. 1 durch Lote b d, Fig. 2, annähernd ersetzt werden. Genau ist die Darstellung Fig. 2 für den Mechanismus der rechtwinkligen Kurbelschleife (s.d., L = ∞). – Die wichtigste Anwendung haben Kolbenwegdiagramme bei der Untersuchung der Arbeitsverhältnisse solcher Maschinen gefunden, bei denen ein und dieselbe Dampf- oder Gasmenge in zwei oder mehreren Zylindern zur Wirkung kommt (Verbunddampfmaschinen, Verbundkompressoren u.s.w.). Die Kolbenwegdiagramme gestatten in diesen Fällen eine bequeme Darstellung der Veränderung des zwischen zwei Kolben liegenden Volumens. Aus dieser Aenderung des Volumens ergibt sich dann unter Zugrundelegung der betreffenden Art der Zustandsänderung auch die Aenderung der Spannung des zwischen den beiden Kolben abgesperrten Dampfes oder Gases.

a) Tandemverbunddampfmaschine. Fig. 3 zeigt die Verwendung der Kolbenwegdiagramme für eine Tandemverbunddampfmaschine. Es ist v das Hubvolumen des Hochdruckzylinders, m das Volumen des schädlichen Raumes des Hochdruckzylinders, A das Volumen des Zwischenbehälters oder Aufnehmers (Receivers), M der schädliche Raum des Niederdruckzylinders und V das Hubvolumen des Niederdruckzylinders. Denkt man sich die beiden Kolbenflächen der Zylinder zunächst gleich, so sind die Hübe den Volumen proportional; in Fig. 3 würden dann die Werte v und V zugleich die beiden Hübe s und S darstellen können. In Wirklichkeit sind bei der Tandemmaschine allerdings die Hübe gleich und die Kolbenflächen verschieden, doch ist es für die folgende Betrachtung einfacher, die Kolbenflächen gleich und die Hübe verschieden vorauszusetzen. In Fig. 3 sind nun für jeden Zylinder die Kolbenweglinien eingezeichnet. Da bei der Tandembauart beide Kolben zugleich die Totlage erreichen, so sind in Fig. 3 beide Kolbenweglinien gleichläufig gezeichnet. Für den Fall, daß beide Zylinder durch ihre schädlichen Räume und durch den Aufnehmer hindurch in Verbindung stehen, ergibt sich die Aenderung des Gesamtvolumens bei der Kolbenbewegung aus der Aenderung des wagerechten Abstandes beider Kolbenweglinien. – Die Aufzeichnung der Dampfdruckdiagramme kann nun in folgender Weise geschehen:

Erster Hub. Der schädliche Raum aa1 des Hochdruckzylinders ist am Hubanfang mit Dampf von der Spannung pa (Fig. 3 links unten) gefüllt. Für die Kurbeldrehung von a bis b erfolgt Füllung; das Dampfvolumen im Hochdruckzylinder wächst hierbei von a a1 auf b b1 an, wobei sich, den Steuerungsverhältnissen beim Füllungsabschluß entsprechend, die Füllungslinie a2 b2 für den Dampfdruck ergibt. Bezüglich des Drosselungsabfalles kann auf Bd. 2, S. 613, Fig. 3, verwiesen werden. Von b bis c erfolgt im Hochdruckzylinder Expansion. Das Dampfvolumen wächst von b b1 auf c c1; die Dampfspannung fällt nach der Linie b2 c2 bis auf pc. Die Linie b2 c2 kann für trocken gesättigten Dampf annähernd als Mariottesche Linie von O aus gezeichnet werden (vgl. Bd. 2, Fig. 2 auf S. 611 und Abs. 3 auf S. 612). In c, d.h. am Ende der Expansion, wird der Hochdruckzylinder zum Zwecke des rechtzeitigen Druckausgleiches mit dem Aufnehmer A verbunden (Vorauslaß). Das Volumen wächst daher plötzlich von c1 c auf c1 c1'; dabei ist im Aufnehmer A eine Dampfspannung p vorhanden; p ist um ein geringes kleiner anzunehmen als pc. Der zwischen pc und p erfolgende Druckausgleich soll bis zum Totpunkt e vollendet sein; doch ist noch zu berücksichtigen, daß auch der Niederdruckzylinder vor Erreichung der Totlage zwecks Voreinströmung an den Aufnehmer A angeschlossen wird. Es soll dies in d erfolgen; dann wächst das Volumen d1 d1' plötzlich um das Volumen d1' d1'' letzteres ist mit Kompressionsdampf von der Spannung pr angefüllt (Fig. 3, rechts unten). Im Totpunkt e ist dann zwischen beiden Kolben ein Volumen ve = e1 o1 vorhanden. Die sich aus der zweimaligen, in c und d erfolgenden Mischung und aus der geringen Volumenänderung ergebende Dampfspannung pe im Totpunkte kann annähernd aus der Gleichung

ve pe = vc pc + A p + Vd pr

1.


[561] bestimmt werden; dabei ist vc = c1 c und Vd = d1' d1''. Die Kompressionsendspannung pr im Niederdruckzylinder ergibt sich durch Konstruktion der Kompressionslinie l2 r2 unter Annahme des Kompressionsanfangsvolumens und der Anfangsspannung bezw. Auslaßspannung des Niederdruckzylinders; pr soll kleiner als p sein. – Hat man den Punkt e2 durch Berechnung von pe festgelegt, so ist die Verbindungslinie c2 e2 für den Druckausgleich schätzungsweise einzutragen.

Zweiter Hub. Von e bis f drückt der Kolben des Hochdruckzylinders den Dampf in den Aufnehmer, aus dem zugleich der Niederdruckzylinder gefüllt wird. Da sich hierbei das Gesamtvolumen von e1 o1 auf f1 n1 vergrößert, so sinkt die Dampfspannung von pe auf pf. Die Linie e2 f2 für den Hochdruckzylinder und die entsprechende Linie o2' n2' für den Niederdruckzylinder bestimmt man am bellen rechnungsmäßig. Für den Anfangszustand in e sind Spannung und Volumen bekannt; nimmt man nun zwischen e1 und f1 eine beliebige Kolbenstellung an, so ist für diese sofort das Gesamtvolumen im wagerechten Abstand beider Kolbenweglinien gegeben; es kann daher unter Benutzung des Mariotteschen Gesetzes (p · v = konstant) die zugehörige Spannung berechnet und unten als Ordinate aufgetragen werden. In f ist die Füllung des Niederdruckzylinders beendet; infolgedessen bleibt der Hochdruckzylinder allein mit dem Aufnehmer in Verbindung, bis auch dieser in g vom Hochdruckzylinder abgesperrt wird. Von f bis g verkleinert sich das Volumen im Hochdruckzylinder und Aufnehmer von f1 f + A auf g1 g + A. Die Dampfspannung steigt von pf auf pg. Die Linie f2 g2 kann von O1 aus als Mariottesche Linie gezeichnet werden. Von g ab wird der Dampf im Hochdruckzylinder bis h komprimiert; die Linie g2 h2 ist von O aus wieder als Mariottesche Linie zu zeichnen. Von h2 bis a2 steigt der Dampfdruck infolge der Voreinströmung wieder auf pa an. – Die Absperrung des Hochdruckzylinders in g vom Aufnehmer muß erfolgen, sobald der bei c vorausgesetzte Aufnehmerdruck p erreicht ist; d.h. es muß pg = p sein. Es ist deshalb empfehlenswert, die Linie f2 g2 h2 a2 rückwärts zu zeichnen und den Punkt f2, also auch die Füllung des Niederdruckzylinders, aus dem Schnittpunkt der Linien e2 f2 und g2 f2 zu bestimmen. Man zeichnet zunächst e2 f2 über die voraussichtlich erforderliche Länge beliebig weit hinaus, wählt dann Punkt h2 unter Annahme der Kompressionsendspannung und der Größe der Voreinströmung, zeichnet von h2 mit O als Koordinatenursprung die Linie h2 g2 rückwärts bis zur Spannung p. Von dem so gefundenen Punkt g2 konstruiert man die Linie g2 f2 rückwärts bis zum Schnitt mit e2 f2 in f2. Für den zweiten Hub ergibt sich demnach im Hochdruckzylinder die Linie e2 f2 g2 h2 a2 und damit das Dampfdruckdiagramm a2 b2 c2 f2 g2 h2 a2. – Für den Niederdruckzylinder war bisher nur die dem Linienzüge e2 f2 entsprechende Linie o'2 n'2 gefunden worden. Es ist jetzt noch zu beachten, daß die wahre Füllungslinie etwas tiefer, etwa von o2 bis n2 verlaufen wird, denn bei der Ueberströmung des Dampfes vom Hochdruckzylinder nach dem Niederdruckzylinder tritt ein gewisser Druckverlust (3–6%) ein; außerdem kommt am Füllungsende wieder die Dampfdrosselung durch das abschließende Steuerorgan zur Geltung. An die Füllung schließt sich von n1 bis i1 die Expansion und hieran von i1 bis k1 der Vorauslaß an; die Dampfdrucklinie ist daher für den Niederdruckzylinder o2 n2 i2 k2.

Dritter Hub. Im Hochdruckzylinder vollzieht sich von a' bis e' derselbe Vorgang, wie beim ersten Hub von a bis e. Im Niederdruckzylinder findet gleichzeitig von k1 bis l1 Auslaß, von l1 bis r1 Kompression und hierauf bis zum Totpunkt Voreinlaß statt. Die entsprechende Dampfdrucklinie ist k2 l2 r2 o2, so daß o2 n2 i2 k2 l2 r2 o2 das ganze Dampfdruckdiagramm des Niederdruckzylinders darstellt.

b) Verbunddampfmaschine mit 90° Kurbelversetzung. Fig. 4 zeigt dieselbe Darstellung für eine Verbundmaschine mit 90° Kurbelversetzung. Die beiden Kolbenweglinien liegen mit den Totpunkten nicht in gleicher Höhe, sondern versetzt um ein Stück, das einer Kurbeldrehung von 90° entspricht.

Erster Hub. Von a bis b erfolgt Füllung, von b bis c Expansion. In c beginnt der Vorauslaß; der Hochdruckzylinder wird an den Aufnehmer angeschlossen, in dem wieder die Spannung p < pc vorauszusetzen ist. Die Drucklinie ist a2 b2 c2 d2 und wird wie vorher beschrieben erhalten; insbesondere ist die Mischspannung pd am Hubende annähernd zu bestimmen aus

(v + m + A) pd = vc pc + Ap,

2.


wobei vc = c1 c ist. Die Verbindungslinie ist von c2 nach d2 schätzungsweise einzutragen.

Zweiter Hub. Von d bis e drückt der Kolben des Hochdruckzylinders den Dampf in den Aufnehmer. Der Druck steigt entsprechend der Linie d2 e2 (Mariotte von O1 aus). In e beginnt der Voreinlaß des großen Zylinders, dessen Kompressionsendspannung pr ist. Von e bis f vollzieht sich die Dampfmischung zugleich mit einer gewissen Volumenverkleinerung von e1 e1' auf f1 o1. Die Spannung pf in f2 kann annähernd bestimmt werden aus

(1/2v + m + A + M) pf = (ve + A) pe+ Ve pr,

3.


wobei ve = e1 e und Ve = e' e1' ist. Die Verbindungslinie von e2 nach f2 ist schätzungsweise einzutragen. In f beginnt die Füllung des großen Zylinders. Die Volumenänderung während der Füllung ergibt sich aus der Aenderung der Länge der Wagerechten zwischen beiden Kolbenweglinien; die Aenderung der Spannung kann daher rechnungsmäßig nach dem Gesetz p · v = konstant bestimmt werden. Im ersten Teile der Füllung steigt die Spannung zunächst noch an, da sich das Gesamtvolumen verkleinert, indem der in der Hubmitte befindliche Kolben des Hochdruckzylinders ein größeres Volumen verdrängt, als der in der Totlage befindliche Kolben des Niederdruckzylinders zunächst hinzuzufügen vermag. Die Geschwindigkeit des Hochdruckkolbens ist aber in der Abnahme, diejenige des Niederdruckkolbens in der Zunahme begriffen. Das Gesamtvolumen erreicht daher einen kleinsten Wert vmin und nimmt hierauf wieder zu, während die Spannung nach Erreichung des Höchstwertes pmax wieder zu fallen beginnt, wie dies der Linienzug f2 g2 wiedergibt. In g wird der Hochdruckzylinder vom Aufnehmer abgesperrt; die weitere Füllung des Niederdruckzylinders kann daher nur aus dem Aufnehmer erfolgen. Den Punkt g2 bestimmt man als Schnittpunkt der Linie f2 g2 mit der von [562] h2 aus rückwärts konstruierten Kompressionslinie h2 g2 (Mariotte von O aus). An die Kompression g h des Hochdruckzylinders schließt sich jetzt der Voreinlaß bis zum Totpunkt a' an, wofür die Linie h2 a2 einzutragen ist, so daß a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 a2 das Diagramm des Hochdruckzylinders darstellt. Für den Niederdruckzylinder hat man zunächst für den Vorgang von f bis g die Spannungslinie o2' g2' einzutragen, die der Spannungslinie f2 g2 des Hochdruckzylinders entspricht. Nach Abschluß des Hochdruckzylinders in g vollzieht sich bis i die Füllung des Niederdruckzylinders allein aus dem Aufnehmer. Das Füllungsende in i ist dadurch bestimmt, daß der Niederdruckzylinder vom Aufnehmer abgesperrt werden muß, sobald in diesem die vorher in c vorausgesetzte Spannung p erreicht wird. Man konstruiert deshalb von g2' die Linie g2' i2' (Mariotte von O aus) bis zur Erreichung der Spannung p in i2'. Es ist jetzt wieder zu beachten, daß anstatt der Füllungslinie o2' g2' i2' die etwas tiefer liegende Linie o2 i2 zu wählen ist, welche die Druckverluste bei der Ueberströmung berücksichtigt. Im Niederdruckzylinder vollzieht sich hierauf die Expansion nach der Linie i2 k2 (Mariotte von O1 aus); ferner der Vorauslaß nach h2l2; schließlich Auslaß, Kompression und Voreinlaß nach der Linie l2 n2 r2 o2, so daß o2 i2 k2 l2 n2 r2 o2 das Diagramm des Niederdruckzylinders darstellt.

Es sei noch darauf hingewiesen, daß das Füllungsende des Niederdruckzylinders in i früher eintreten soll als der Vorauslaß der zweiten bisher nicht betrachteten Kolbenseite des Hochdruckzylinders; doch kann dies nicht immer erreicht werden. Es kommen dann in c beim Anschluß des Hochdruckzylinders an den Aufnehmer andre Mischungsverhältnisse in Betracht, als sie bei Aufteilung der betreffenden Gleichung [2] für die Berechnung von pd angenommen wurden. Das Volumen vc des Hochdruckzylinders kommt dann in c nicht nur mit A, sondern auch noch mit dem Volumen Vc = c1' c1'' des großen Zylinders in Verbindung. (Es gilt hierbei in Fig. 4 die punktierte Kolbenweglinie für die andre Kolbenseite des großen Zylinders.) Berücksichtigt man, daß in i1'' beim Füllungsende des großen Zylinders das Volumen Vi vom Gesamtvolumen abgeschlossen wird, so besteht für die Berechnung der Spannung pd im Totpunkte des kleinen Zylinders statt 2. jetzt die Beziehung

vcpc + (A + Vc) p – Vipi = pd(v + m + A).

4.


Hierbei ist pi die Spannung im großen Zylinder am Füllungsende; pi kann aus der Bedingung abgeleitet werden, daß im Beharrungszustande die für einen Hub im Hochdruckzylinder aufgewendete Dampfmenge theoretisch gleich der Hubdampfmenge des großen Zylinders sein muß. Für den kleinen Zylinder kann als Maßstab der Hubdampf menge der Wert vcpc – vhph angesehen werden. Für den großen Zylinder gilt dementsprechend der Wert Vivi – Ve pr; aus der Gleichheit beider Werte folgt dann

Vi pi = vc pc – vh ph + Ve pr.

5.


Hat man die Punkte c2, h2 und r2 im Dampfdruckdiagramm festgelegt, so kann nach 5. der Wert Vi vi berechnet werden; da nun nach Fig. 4 auch

(M + S) pu = Vi vi

6.


sein muß, so kann auch pu berechnet und die theoretische Expansionslinie u2 i2' für den Niederdruckzylinder von u2 aus rückwärts bis zu einem beliebig anzunehmenden Punkte konstruiert werden. Wählt man noch die Spannung p, und zwar wieder p < pc, so kann nach 4. die Spannung pd berechnet werden, wodurch Punkt d2 gefunden ist. Die Verbindungslinie c2 d2 ist wieder schätzungsweise einzutragen. Für den Hochdruckzylinder kann jetzt der Linienzug d2 e2 f2 g2 h2 a2 in vorher angegebener Weise gezeichnet werden; insbesondere behält auch Gleichung 3. volle Gültigkeit. Die Linie o2' g2' folgt wieder durch einfache Uebertragung von f2 g2 auf die Niederdruckseite. Von g2' ab ist die Expansionslinie vom Punkte O aus zu konstruieren, und zwar bis zum Volumen Vc, wobei sich als Endspannung der angenommene Wert p ergeben muß. Von c1'' ab ist jetzt auch die Vorauslaßseite des kleinen Zylinders an[563] der Füllung des großen Zylinders beteiligt. Das Füllungsende in i1'' erhält man nach Fig. 5 als Schnittpunkt der Linie c2' i2 mit der Expansionslinie i2' u2'. Für die Aufzeichnung der Linie c2' i2' gilt das folgende. Nimmt man ein beliebiges Volumen Vx im großen Zylinder an, so ist aus dem Kolbenwegdiagramm das gleichzeitige Volumen vx im kleinen Zylinder sofort zu erkennen. Nach Eintragung der Dampfdrucklinie c2 d2 ist aber für jeden Wert vx auch die zugehörige Spannung px im kleinen Zylinder bekannt. Die gleichzeitig im großen Zylinder und im Aufnehmer herrschende Spannung py ist aber bestimmt durch die Beziehung

vxpx + (A + Vx) py = vc pc + (A + Vc) p.

7.


Hiernach läßt sich die Linie c2' l2' einzeichnen. Die weitere Konstruktion des Niederdruckdiagramms geschieht dann in der schon angegebenen Weise.

c) Dreifachexpansionsdampfmaschine mit 120° Kurbelversetzung. Fig. 6 zeigt noch die Verwendung der Kolbenwegdiagramme für die Ermittlung der Dampfdruckdiagramme einer Dreifachexpansionsmaschine mit 120° Kurbelversetzung. Die Kurbelfolge ist hierbei: Hochdruck-, Niederdruck-, Mitteldruckzylinder. Die Zylinderinhalte stehen im Verhältnis v : v' : V bezw. s : s' : S. Die schädlichen Räume haben die Große m bezw. m' und M. Die Aufnehmerinhalte sind A und A'. Es ist a b die Füllung, b c die Expansion und c d der Vorauslaß des Hochdruckzylinders; hierfür gilt die Drucklinie a2 b2 c2 d2, wobei die Spannung pd nach Gleichung 2. berechnet werden kann. Von d bis e folgt Kompression im kleinen Zylinder und im Aufnehmer A, hierauf von e bis f Voreinlaß des Mitteldruckzylinders. Die Drucklinie hierfür ist d2 e2 f2, wobei pe durch Konstruktion von O1 aus, pf dagegen durch Berechnung aus

(ve + A) pe + ve' pr = (vf + A + m') pf

8.


gefunden werden. Die Werte ve, ve', vf geben die Zylinderinhalte einschließlich der schädlichen Räume für die Kolbenstellungen e, e' und f an. Von f bis g wird der Mitteldruckzylinder aus dem kleinen Zylinder und dem Aufnehmer A gefüllt. Punkt g2 ergibt sich als Schnittpunkt der beiden Linien f2 g2 und h2 g2. Ferner ist g h = Kompression und h a' = Voreinlaß im Hochdruckzylinder. Es ist a2 b2 c2 d2 e2 f2 g2 h2 das Diagramm des Hochdruckzylinders. Von g' bis i' wird der Mitteldruckzylinder aus dem Aufnehmer A allein gefüllt, bis in i' die vorher in c vorausgesetzte Aufnehmerspannung p erreicht ist. Es ist f2' g2' die Uebertragung der Linie f2 g2 und g2' i2' eine Mariotte von O aus bis zur Spannung p. Die Linie f2' g2' i2' ist nach f2'' g2'' i2'' übertragen, worauf mit Berücksichtigung der Druckverluste die wahre Füllungslinie t2 i2 des Mitteldruckzylinders eingezeichnet werden kann. Von i bis k expandiert der Dampf im Mitteldruckzylinder; in k erfolgt Vorauslaß, d.h. Anschluß des Mitteldruckzylinders an den Aufnehmer A'. Die Linie i2 k2 ist eine von O2 aus gezeichnete Mariotte. Punkt l2 erhält man durch Berechnung der Spannung pl aus der Beziehung

vk'pk + A' p' = (v' + m' + A') pl.

9.


[564] Die Linie k2 l2 ist hierauf schätzungsweise einzutragen; die Spannung p' im Aufnehmer A' ist etwas kleiner als pk vorauszusetzen. Von l bis n wird der Dampf im Mitteldruckzylinder und im Aufnehmer A' komprimiert. l2 n2 ist eine Mariotte von O3 aus. In n bezw. n1 beginnt für den Niederdruckzylinder der Voreinlaß, der bis o bezw. o1 dauert. Die Endspannung p0 m wieder bestimmt durch die Gleichung:

(vn' + A') pn + Vnpy = (vo' + A' + M) po.

10.


Die Linie n2 o2 ist hierauf schätzungsweise einzuzeichnen. Von o bis q wird der Niederdruckzylinder aus dem Mitteldruckzylinder und dem Aufnehmer A' gefüllt. Die durch Rechnung gefundenen Spannungen liefern den Linienzug o2 q2 für den Mitteldruckzylinder, bezw. o2' q2' für den Niederdruckzylinder; q2 wird als Schnittpunkt der Linien o2 q2 und r2 q2 gefunden. Es ist q r Kompression und r t Voreinlaß im Mitteldruckzylinder, so daß sich demgemäß das Dampfdruckdiagramm t2 i2 k2 l2 n2 o2 q2 r2 für den Mitteldruckzylinder ergibt. Der Niederdruckzylinder wird aus dem Aufnehmer A' noch von q1 bis u1 gefüllt, bis nämlich die in k vorausgesetzte Aufnehmerspannung p' wieder erreicht ist; q2' u2' ist daher eine von O2 konstruierte Mariotte mit der Endspannung p'. Sobald wieder die wahre Füllungslinie z2 u2 etwas tiefer als o2' q2' u2' eingetragen worden ist, läßt sich das Niederdruckdiagramm z2 u2 v2 w2 x2 y2 in bekannter Weise fertig zeichnen.


Literatur: [1] Schröter, M., Methode der graphischen Behandlung mehrzylindrischer Dampfmaschinen, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1884, S. 191. – [2] Gottlob, Sigmund, Zur graphischen Untersuchung mehrzylindrischer Dampfmaschinen, ebend. 1884, S. 643. – [3] Werner, R.R., Zwei- und Dreizylinderdampfmaschinen, deren arithmetische und graphische Berechnung, ebend. 1884, S. 822. – [4] Mönch, E., Konstruktion der Diagramme von Mehrzylinderdampfmaschinen, ebend. 1890, S. 553. – [5] Illeck, J., Die graphische Berechnung mehrzylindrischer Dampfmaschinen, ebend. 1899, S. 14. – [6] Des Ingenieurs Taschenbuch »Hütte«, Berlin 1905, I. Teil, S. 993–997. – Vgl. a. Literaturangaben von Dampfmaschinenlehrbüchern unter Dampfmaschinen, Bd. 2, S. 609 und 610.

O. Herre.

Fig. 1.
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Fig. 2.
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Fig. 3.
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Fig. 4.
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Fig. 5.
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Fig. 6.
Fig. 6.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 5 Stuttgart, Leipzig 1907., S. 560-565.
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