Schwungräder

[25] Schwungräder mildern die Ungleichförmigkeit in der Geschwindigkeit von Kraft- und Arbeitsmaschinen bei periodischen oder vorübergehenden Schwankungen der treibenden Kraft und des Widerstandes, indem sie den jeweiligen Arbeitsunterschied aufnehmen und abgeben unter Aenderung der lebendigen Kraft ihrer Masse.

Die Herstellung erfolgt in der Regel in Gußeisen. Kleine Räder (Fig. 1), für Handbetrieb mit einer Kurbelgriffnabe versehen, werden einteilig meist mit krummen Armen gegossen. Räder über 2,8 m Durchmesser müssen in Rücksicht auf die Verladung innerhalb des Eisenbahnprofils geteilt werden (Fig. 3), wofern man nicht für Räder bis 4,4 m Spezialwagen benutzt. Große Räder [3] werden aus einzelnen Segmenten und Armen zusammengebaut (Fig. 4) [6]. Dagegen sind die Scheibenräder (Fig. 5) für Ilgner-Umformer einteilig aus Stahlguß hergestellt und überschmiedet. Bei beschränktem[25] Raum benutzt man auch massive gußeiserne Scheiben, die mit exzentrischer Bohrung auf die außen rund abgedrehten Kurbelarme gekröpfter Wellen aufgesetzt werden können. Ausnahmsweise hat man den Kranz aus Gußstahldraht auf einen schmiedeeisernen Haspel gewickelt [2]. Im letzten Fall sowie bei den Stahlgußscheibenrädern erreicht die Umfangsgeschwindigkeit 100 m/sec, während man bei gußeisernen Speichenrädern nicht gern über 30 m/sec hinausgeht, weil sonst bei Kraftstößen leicht Schwungradexplosionen eintreten können. Die Größe wählt man nach dem vorhandenen Platz und nimmt bei Dampfmaschinen gewöhnlich den Radius gleich der Länge der Pleuelstange oder dem fünffachen Kurbelradius.

Der Kranzquerschnitt kleiner Räder ist rund oder elliptisch, bei größeren Rädern rechteckig 2 : 1 bis 3 : 2, besser -förmig (Fig. 3). Damit das Rad rundläuft, nicht schlägt, dreht man es außen sowie an den Seiten ab unter Beschränkung der Dreharbeit auf die vorstehenden Ränder. In vielen Fällen wird das Schwungrad als Riem- oder Seilscheibe (s. Bd. 2, S. 599, Fig. 13) ausgebildet, auch als Dynamorad, aber nicht mehr als Zahnrad. Zur Schaltung der Dampfmaschinen von Hand gießt man einen Zahnkranz von niedrigen, rechteckigen Zähnen am inneren Rande oder außen vertieft an. Die Radarme (s. Rad) erhalten elliptischen oder runden hohlen Querschnitt, bei starkem Drehmoment Schwungräder-form; breiten Seilscheiben gibt man zwei Armsterne oder Schwungräder-förmige Arme mit axial liegendem Steg, unter Verschalung an beiden Seiten mit Blech zur Verminderung des Luftwiderstandes. Die Armzahl Dm + 2 wird zu 6 oder 8–12 angenommen.

Die Nabe (s.d.) erhält bei der Länge von 1,7 d bis 2 d eine innere Aussparung und in Rücksicht auf den beständigen Wechsel des Drehmomentes zwei Keile (s.d.), die um 90° versetzt sind, oder Tangentialkeile (Fig. 5). Schrumpfringe an beiden Stirnseiten haben quadratischen Querschnitt von 0,5 w + 5 mm Seite, die Nabenschrauben 0,6 w Stärke. Die Teilfuge legt man am sichersten durch einen Arm (Fig. 3). Geht sie aber in der Nabe zwischen zwei Armen durch, so kann sie im Kranzsegment auch in der Mitte durchgehen oder um das 0,3fache seiner Länge aus der Mitte versetzt werden, wo die Biegung am kleinsten ist. Zweckmäßig schließt man die Kranzfuge durch einen rechteckigen Stahlstab (Fig. 6), der mitten im Kranz in eingegossenen Löchern steckt und durch Querkette mit beiden Kranzenden verspannt ist, und zwei Fugenschrauben von 20–25 mm gegen Verschiebung. Die Fliehkraft treibt die Fugenverbindung nach außen. Die innen sitzenden Spannschrauben (Fig. 2) verstärken das Biegungsmoment, besonders wenn die Flanschen innen nicht anliegen [5], ebenso die Schrumpfringe, die besser zu beiden Seiten (Fig. 3) über Hörner gelegt werden, die auf Biegung und Abscherung zu berechnen sind. Die Konstruktion Fig. 2 ist als gefährlich zu vermeiden.

Ueber die Spannungen in Speichenrädern s. Radarme (Bd. 7, S. 335/336). Aus Anlaß der Explosion eines Schwungrades mit 41,35 m/sec Umfangsgeschwindigkeit hat Göbel [4] die Spannungen berechnet und 172 kg/qcm im Kranz und 400 an den Hörnern gefunden. Die Spannungen erhöhen sich noch durch die Beschleunigungskraft, die unter ungünstigen Umständen bis zur vollen Maschinenstärke anwachsen kann. Die Berechnung voller Scheiben mit tangentialen und radialen Spannungen ergibt die höchste Beanspruchung am Umfang der Nabe [7]. Darum empfiehlt Kammerer [8], die Nabe von den radialen Zugkräften dadurch zu entlasten, daß als Kranz mehrere Ringe mit mäßiger Spannung übereinander warm aufgezogen werden.

Ueber Bemessung des Gewichtes s. Schwungradberechnung.


Literatur: [1] s. Rad. – [2] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1890, S. 624. – [3] Ebend. 1893, S 975. – [4] Ebend. 1898, S. 352–358. – [5] Ebend. 1899, S. 237 und 344, sowie 1900, S. 605/606. – [6] Ebend. 1907, Taf. 6. – [7] Ebend. 1903, S. 51–53, und 1907, S. 1269–1274. – [8] D.R.P. Nr. 156072.

Lindner.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4 (oben) und Fig. 5 (unten).
Fig. 4 (oben) und Fig. 5 (unten).
Fig. 6.
Fig. 6.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 25-26.
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Faksimiles:
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