Sinkstoffe

[138] Sinkstoffe, die von einem fließenden Gewässer bei einer gewissen Geschwindigkeit mitgeführten, bei Verlangsamung oder Aufhören der Wasserbewegung auf die Sohle niedersinkenden Suspensionen.

Starke Regengüsse und Anschwellungen schwemmen das durch Verwitterung losgelöste Stein- sowie auch Erdmaterial vom Boden mit; übermäßige Strömung im Gerinne selbst verursacht Sohlenausrisse, Kolkungen sowie Uferabbrüche; vielfach gelangen die Sinkstoffe auch durch Einschüttungen in die offenen Wasserläufe. Die größte und schwerste Gattung der Sinkstoffe ist das Geschiebe; dann folgen Gerölle, Kies, Sand, Schlick oder Schlamm; der letztere besteht zumeist aus feinstem, fruchtbarem Ton.

Man hat in neuerer Zeit vielfach Modellversuche angestellt, um über die Wirkungen wechselnder Strömungen auf die Bewegung und Ablagerung der Sinkstoffe Klarheit zu erhalten, und kommt vielleicht auf diesem Wege rascher zum Ziel als mit einseitiger Verfolgung sogenannter theoretischer Erwägungen; letztere wollen unter [1], [2] und [5] nachgesehen werden. Vgl. a. Schleppkraft.

Bis jetzt gilt hinsichtlich der Grenzgeschwindigkeiten, bei welchen Sinkstoffe bekannter Art vom Wasser fortbewegt werden, das in Bd. 4, S. 431, Angegebene. Bei Hochwasser findet ein Massentransport der Sinkstoffe statt, d.h. es wird ein Gemisch von grobem und feinerem Material fortbewegt. Bei allmählich abnehmender Geschwindigkeit bleiben zuerst die größten Steine liegen, dann nach und nach die kleineren, und schließlich, bei der einer gewissen Flußstrecke zukommenden kleinsten Geschwindigkeit, werden nur noch Sinkstoffe von entsprechender Gattung im sogenannten Einzeltransport weitergeführt [3]. – Die Größe der auf einer bestimmten Flußstrecke abgelagerten Sinkstoffe richtet sich also speziell nach dem Wechsel der Geschwindigkeit von Hoch- zu Mittel- bis Niederwasser. Im allgemeinen findet man als Ablagerung in den Flußbetten gemäß der Abnahme der Strömung von den Quellen bis zum Meere: im Oberlaufe Geschiebe und Gerölle, im Mittellaufe Kies und Sand, im Unterlaufe Schlick. In Seen, die Gebirgsflüsse aufnehmen, bildet sich von der Mündung seeeinwärts ein Ablagerungskegel von Schotter und in weiterer Entfernung auch Schlamm; Tieflandströme erzeugen aber im See oder Meere einen solchen nur von Schlick, welcher dann zur Deltabildung Veranlassung gibt. Größere und örtlich beschränkte Sinkstoffablagerungen in Gerinnen bilden sich, wo plötzliche Erbreiterungen, dann Abflußhindernisse sowie scharfe Krümmungen, welche eine rasche Ablenkung der Wasserfäden und des Stromstriches bewirken, vorkommen; solche Anhäufungen heißen Sinkstoffbänke, Kies-, Schotter- oder Sandbänke, Haufen oder Grandorte, Hager, Haken oder Köpfe. Derlei Ablagerungen an den Ufern heißen Uferbänke und im Flusse selbst Mittelfelder. Ein hinter Buhnen durch Sinkstoffe neu gebildeter und zur Weidenpflanzung schon geeigneter Boden wird auch Weidenwerder genannt. In gekrümmten Flußstrecken bilden sich die Schotterbänke am inneren oder konvexen Ufer, während am äußeren oder konkaven der einen Krümmung bald eine entgegengesetzte folgt; so entsteht zwischen beiden, dieselben gleichsam verbindend, auch eine, aber etwas niedrigere Sinkstoffablagerung schräg über das Flußbett; solche seichte, der Schiffahrt nachteilige Flußstellen heißen Schwelle (Sinkstoffschwelle), Rücken, Uebergang, Furt oder Paß. Aehnliche Erscheinungen findet man auch in zu breiten, geraden Strecken geschiebeführender Flüsse, indem sich vorerst Uferbänke regelmäßig abwechselnd an dem einen und andern Ufer ablagern, zwischen welchen sich das Niederwasser hindurchschlängelt.

In Flußbetten mit lockerem, aufgeschwemmtem Material ist die Sohle entweder in steter oder in periodischer Bewegung begriffen; entsprechendenfalls entstehen wandernde Sandwellen auf derselben quer zur Flußrichtung. Auch die frei liegenden Kies- und Sandbänke zeigen ein allmähliches Wandern flußabwärts. Wenn die Stromkraft imstande ist, durchschnittlich so viel Material noch weiter zu treiben, als von oben zugeführt wird, so hat sich in der betreffenden Strecke bereits ein Ausgleichsgefälle ausgebildet; vorher aber, solange die Strömung heftiger oder schwächer ist, als es der Größe und Schwere der vorhandenen abgelagerten und eben noch zugeführten Sinkstoffe entspricht, erfolgt eine Vertiefung (Erosion) bezw. eine Erhöhung der Flußsohle [4], [5].


Literatur: [1] Forchheimer, Ph., in Encyklopädie der mathem. Wissenschaften, Hydraulik, VI, S. 462, Leipzig 1905, mit vielen weiteren Literaturangaben. – [2] Handbuch der Ingenieurwissenschaften, Bd. 6, Flußbau, Leipzig 1907. – [3] Zeitschr. für Bauwesen 1890, S. 481. – [4] Oesterr. Monatsschrift für den öffentl. Baudienst 1895, S. 89. – [5] Fargue, L., La forme du lit des rivières a fond mobile, Paris 1908.


Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 138.
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