Ager publĭcus

[167] Ager publĭcus (lat.), im alten Rom die Staatsdomänen, die aus den den besiegten Feinden abgenommenen Ländereien (gewöhnlich ein Drittel) gebildet worden waren. Teile dieser Ländereien wurden bisweilen einzelnen Bürgern oder neubegründeten Kolonien als festes Eigentum überwiesen (ager privatus assignatus) oder auch von den Quästoren unter der Bedingung verkauft, daß der Staat Grundeigentümer blieb und ihm eine wirkliche oder auch nur nominelle Abgabe (vectigal) gezahlt wurde (ager privatus vectigalisque oder quaestorius); der größte Teil verblieb den alten Eigentümern, aber nicht als freies Eigentum, sondern als abgabepflichtiges Staatsland (a. p. stipendiarius); die unter Verwaltung des Staats behaltenen Teile wurden von den Zensoren verpachtet. Von unkultiviertem Lande gestattete der Staat vorläufige Besitzergreifung (occupatio) und Nutznießung (usucapio) gegen eine Abgabe und unter Vorbehalt der Wiedereinziehung; solches Land konnte vererbt und veräußert werden, sollte aber nie in Eigentum übergehen und hieß possessio. Diese Einrichtung führte schon in den ersten Zeiten der Republik zu ununterbrochenen erbitterten Kämpfen zunächst zwischen den Patriziern, welche die occupatio als Privileg ansahen, und den Plebejern, dann zwischen der nicht mehr bloß patrizischen Nobilität und den unbemittelten Bürgern, die nicht nur Anteil an dem neu erworbenen A. p., sondern auch durchgehende Verteilung der vorhandenen possessiones verlangten. Eine Reihe von Ackergesetzen (leges agrariae) brachten keine Abhilfe; selbst das wohltätige Gesetz des Gaius Licinius Stolo (366 v. Chr.), das den Höchstbesitz an A. p. auf 500 iugera (zu 28,2 Ar) festsetzte, verlor auf die Dauer seine Wirkung. Der infolge der großen Kriege und der umsichgreifenden Latifundienwirtschaft drohende Untergang des Bauernstandes und die zunehmende Verarmung der Kleinbürger veranlaßten die beiden Gracchen Tiberius (133) und Gajus (123) (s. Gracchus) zu neuen Agrargesetzen, welche die Aufteilung des vorhandenen A. p. und der, 500 iugera übersteigenden possessiones an arme Bürger zum festen, unverkäuflichen, mit einer Staatsabgabe belasteten Besitz bezweckten; aber nach ihrem Tode kamen die zwar durch Volksbeschlüsse genehmigten Gesetze infolge des Widerstandes der Nobilität und andrer Schwierigkeiten nicht zur Durchführung. Vielmehr wurde schließlich das Staatsland den Inhabern als abgabenfreies Privateigentum überwiesen, so daß für Assignationen nur der eigentliche A. p. verblieb. In der Kaiserzeit gab es in Italien fast keinen A. p. mehr; was davon noch vorhanden war, fiel allmählich dem kaiserlichen Fiskus zu, ebenso der A. p. in den Provinzen, der besonders für Assignationen an Veteranen verwendet wurde.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 167.
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