Agrarĭer

[176] Agrarĭer, politische Partei in Deutschland, welche die Interessen der Landwirtschaft vertritt. Ihre Anfänge weisen auf eine Versammlung hin, die auf Anregung von M. A. Niendorf (gest. 1878) und Elsner von Gronow im Mai 1869 in Breslau während der dortigen Wanderversammlung der deutschen Land- und Forstwirte stattfand und zunächst das Erscheinen der »Deutschen Landeszeitung« zur Folge hatte. In den Wahlkämpfen traten die A. zuerst 1874 hervor.[176]

In den Tagen vom 22.–24. Febr. 1876 fand in Berlin eine konstituierende Versammlung »Deutscher Steuer- und Wirtschaftsreformer« statt, welchen Namen die A. seitdem offiziell angenommen haben, und stellte folgende Programmpunkte auf: Beseitigung der in der Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer liegenden Doppelbesteuerung, Börsensteuer, Freihandelspolitik, Aufhebung der Differentialzölle, Staatsbahnsystem, Ausgabe von Reichspapiergeld unter Beseitigung der Bankvorrechte, Umgestaltung der Aktiengesetzgebung, der Gewerbeordnung, des Unterstützungswohnsitzgesetzes, Beschränkung des bäuerlichen Erbrechts und der Verschuldungsform. Politisch schlossen sich die A. der konservativen Partei an. Die ursprünglich stark betonte freihändlerische Richtung wurde infolge der zunehmenden ausländischen Konkurrenz seit 1879 verlassen; vielmehr verbanden sich die A. mit den Vertretern industrieller Schutzzölle und haben 1879, 1885, 1887 und wieder in der jüngsten Zeit eine lebhafte Tätigkeit für Einführung, bez. Erhöhung der Getreide-, Vieh- und Holzzölle entfaltet. Agrarische Tendenzen vertritt in jüngster Zeit besonders der Bund der Landwirte (s. d.). Vgl. Stephan, Die 25jährige Tätigkeit der Steuer- und Wirtschaftsreformer (Berl. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 176-177.
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