Ambulanter Gerichtsstand

[417] Ambulanter Gerichtsstand (fliegen der Gerichtsstand), Bezeichnung für die vom Reichsgericht vertretene Ansicht, daß für ein Preßdelikt der Gerichtsstand der begangenen Tat nicht bloß an dem Orte sei. von dem die Verbreitung aus erfolgte, sondern auch an jenem Orte, wohin zufällig die verbreitete Druckschrift gelangte. Diese zweifelsohne mit dem geltenden Rechte völlig sich im Ein klang befindende, aber trotzdem zu vielen Mißständen führende Rechtsprechung des Reichsgerichts konnte nur durch eine Änderung des § 7 der deutschen Strafprozeßordnung in andre, von der gesamten Presse gewünschte Bahnen gelenkt werden. Dies ist denn auch durch das Gesetz vom 13. Juni 1902, betreffend die Abänderung des § 7 der Strafprozeßordnung, geschehen, das wenigstens für die öffentliche Klage den sogen. fliegenden Gerichtsstand aufhob, indem es bestimmte: wenn der Tatbestand der strafbaren Handlung durch den Inhalt einer im Inland erschienenen Druckschrift begründet ist, so ist nur das Gericht als zuständig anzusehen, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Bei Privatklagen ist jedoch in Fällen der Beleidigung auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druckschrift verbreitet ist, zuständig, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Vgl. Kitzinger, Der ambulante Gerichtsstand der Presse (Münch. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 417.
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