Contentieux administratif

[267] Contentieux administratif (auch kurzweg le contentieux, spr. kongtangßjȫ), die Verwaltungsgerichtsbarkeit in Frankreich, die nicht bloß Verwaltungsangelegenheiten, sondern auch fiskalische Streitigkeit und Strafsachen umfaßt. Auch in Deutschland hat man vor der Neuregelung der Verwaltungsrechtspflege von administrativ-kontentiösen Sachen gesprochen. Den Gegensatz zum C. bildet die administration pure (reine Verwaltung). Man unterscheidet hiernach den Weg der Verwaltungsrechtsbeschwerde (voie contentieuse) und der Verwaltungsbeschwerde (voie gracieuse). Die Einrichtung des C. verdankt ihre Entstehung dem französischen Grundsatz der Gewaltenteilung, d. h. der Trennung und gegenseitigen Unabhängigkeit der gesetzgebenden, vollziehenden und richterlichen Gewalt. Hiernach erscheint es als unzulässig, daß die Gerichte in die Tätigkeit der Verwaltung eingreifen und die Verwaltungsbeamten wegen ihrer Amtshandlungen vor sich laden. Infolgedessen mußte die Verwaltungsrechtsprechung als eine besondere Aufgabe der vollziehenden Gewalt eingerichtet werden. Das C., sagt VivienÉtudes administratives«, 2. Aufl., Bd. 1, S. 125), umfaßt alle Beschwerden, die sich auf Verletzung der Verpflichtungen gründen, die der Verwaltung durch Gesetz oder Verordnung auferlegt oder von ihr durch Vertrag übernommen sind. Im ersten Rechtszug entscheiden hier hauptsächlich die Minister, die Präfekturräte und die Präfekten, im zweiten Rechtszug entscheidet der Staatsrat (s.d.). Auf Akte der Regierungsgewalt (actes de gouvernement), wie z. B. Staatsverträge, Verteilung von Kriegsentschädigungen etc., erstreckt sich das C. niemals. Vgl. O. Mayer, Theorie des französischen Verwaltungsrechts, S. 87ff. (Straßb. 1886).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 267.
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