Crémieux

[340] Crémieux (spr. krēmjö), Isaac Adolphe, franz. Jurist und Politiker, geb. 30. April 1796 in Nimes, gest. 10. Febr. 1880, ward 1817 Advokat in seiner Vaterstadt. Seit 1830 Advokat am Kassationshof zu Paris, machte er sich durch Führung von Preßprozessen sowie durch Plaidoyers für die Saint-Simonisten, für A. Marrast u. a. populär. 1842 in die Kammer gewählt, hielt er sich zur Linken. Beim Ausbruch der Februarrevolution bewog er Ludwig Philipp und die königliche Familie, aus Paris zu flüchten, und die Herzogin von Orléans, die Regentschaft abzulehnen. Er wurde nun Mitglied der provisorischen Regierung und Justizminister, legte jedoch infolge von Differenzen im Prozeß L. Blanc sein Amt 7. Juni nieder. Beim Staatsstreich vom 2. Dez. wurde er verhaftet und saß kurze Zeit in Mazas. Nach seiner Freilassung lebte er ganz seiner advokatorischen Praxis und trat erst 1869 wieder in die politische Tätigkeit. Als Deputierter ward er 4. Sept. 1870 Mitglied der Regierung der nationalen Verteidigung. Er war zunächst Justizminister, begab sich aber 12. Sept. zur Delegation nach Tours unter Gambetta. Er unterzeichnete die berüchtigte Proskriptionsliste vom 31. Jan. 1871, nahm aber, nach Gambettas Sturz, 10. Febr. seine Entlassung (vgl. seine Schrift »Gouvernement de la Défense nationale. I. Actes de la delegation à Tours et á Bordeaux. II. Ministère de la justice«, Tours 1871, 2 Bde.). 1872 wurde er in die Nationalversammlung und 1876 in den Senat gewählt. Ein gewandter Redner, freisinnig, mild und versöhnlich, war er doch kein Staatsmann; dazu fehlten ihm Scharfblick und Selbständigkeit. C. war Mitglied des israelitischen Zentralkonsistoriums in Paris und Begründer der »Alliance Israélite universelle«. Aus seinem Nachlaß erschienen. »En 1848. Discours et lettres« (1883).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 340.
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