Enquete

[826] Enquete (franz. enquête, spr. angkǟt'), im allgemeinen amtliche (wohl auch private) »Untersuchung«, Ermittelung, gilt besonders für das von einer Behörde oder von einer Kommission geleitete öffentliche Untersuchungsverfahren zur Aufklärung und Auskunftseinziehung über bestimmte Fragen und Verhältnisse.[826] Von Bedeutung ist das Recht der E. (inquiry) namentlich in England, wo es dem Parlament seit Jahrhunderten zusteht. Auch in Frankreich hat man wiederholt solche Untersuchungen veranstaltet. In Deutschland und Österreich sind Enqueten nach englischem Muster erst in neuerer Zeit gebräuchlich geworden. Doch ist in einzelnen deutschen Verfassungen, wie z. B. in Artikel 82 der preußischen Verfassung vom 31. Jan. 1850, der Volksvertretung das Recht der E. ausdrücklich zugestanden. Indessen handelt es sich bei uns zumeist nicht um Enqueten in englischem Sinne, sondern um Erhebungen, die in Form von Regierungsenqueten stattfinden, und das Beispiel der preußischen Eisenbahnuntersuchungskommission, die 1873 auf Laskers Anregung eingesetzt ward, steht ziemlich vereinzelt. Wichtige Regierungsenqueten waren die Eisenbahntarifenquete 1875, die E. über die Lage der Eisen-, Baumwoll-, Leinen- und Tabakindustrie etc. 1878, die Zuckerenquete 1884 und die E. über die Sonntagsarbeit 1885, die Börsenenquete 1893, die Erhebungen der Kommission für Arbeiterstatistik seit 1892 und die über Verhältnisse im Handwerk 1895 (sogen. Innungsenquete). Vgl. Cohn, Über parlamentarische Untersuchungen in England (Jena 1875); Embden, Cohn und Stieda, Das Verfahren bei Enqueten über soziale Verhältnisse (Leipz. 1877). – Neuerdings sind (besonders in Frankreich) von Zeitungsredaktionen oder auch von Privatpersonen angestellte Enqueten (Umfragen) über alle möglichen Dinge förmlich Mode geworden.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 826-827.
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