Flüssigkeitsdruck

[734] Flüssigkeitsdruck. Flüssige Körper besitzen leichte Verschiebbarkeit ihrer Teilchen und so geringe Zusammendrückbarkeit, daß sie unter gewöhnlichen Umständen geradezu für unzusammendrückbar gelten können. Vermöge der erstern Eigenschaft kann eine in einem oben offenen Gefäß enthaltene Flüssigkeit nur dann im Gleichgewicht sein, wenn ihre freie Oberfläche wagerecht ist, d. h. wenn die Richtung der Schwerkraft auf ihr senkrecht steht, da bei jeder andern Form der Flüssigkeitsoberfläche ein Teil der Flüssigkeit von den höhern nach den tiefern Stellen abfließen müßte, bis endlich der wagerechte Flüssigkeitsspiegel hergestellt wäre. Einem auf sie ausgeübten Druck gegen über verhalten sich die Flüssigkeiten ganz anders als die starren Körper, deren Teilchen unverschiebbar miteinander verbunden sind. Wird auf das eine Ende eines starren Stabes in der Richtung seiner Länge ein Druck ausgeübt, so überträgt sich dieser in gleicher Größe und mit unveränderter Richtung auf den Stützpunkt, gegen den das andre Ende des Stabes gestemmt ist. Denken wir uns dagegen ein Litermaß mit einer aus losen, beweglichen Teilchen bestehenden Substanz, z. B. mit Schrotkörnern, angefüllt und mittels eines an die Gefäßwand anschließenden Kolbens einen Druck auf die Oberfläche der Schrotmasse ausgeübt, so keilen sich die zunächst gedrückten Körnchen zwischen die benachbarten ein und diese, weil ihnen nach allen Richtungen die gleiche Möglichkeit des Ausweichens gegeben ist, suchen nicht nur nach vorwärts, sondern auch nach seitwärts und sogar nach rückwärts zu drängen. Der ausgeübte Druck pflanzt sich also nach allen Richtungen durch die ganze Masse fort und überträgt sich schließlich auf die Gefäßwände, gegen welche er im Falle des Gleichgewichts überall senkrecht wirkt; denn hätte die Kraft schräge Richtung, so würde sie Gleiten der Teilchen an der Wand veranlassen, es wäre also kein Gleichgewicht vorhanden. Infolge der großen Beweglichkeit ihrer Teilchen zeigen Flüssigkeiten diese allseitige Fortpflanzung des Druckes in vollkommenster Weise; für sie gilt daher das hydrostatische Grundgesetz: Ein auf eine Flüssigkeit ausgeübter Druck pflanzt sich nach allen Richtungen mit gleicher Stärke fort. »Mit gleicher Stärke«, d. h. durch die ganze gepreßte Flüssigkeitsmenge hindurch, hat vermöge des auf sie ausgeübten Druckes jedes Flüssigkeitsteilchen das gleiche Bestreben, nach allen Richtungen hin auszuweichen; der Druck, den ein beliebiges Stück der Gefäßwand auszuhalten hat, wird daher um so größer sein, von einer je größern Anzahl Flüssigkeitsteilchen dasselbe bedrängt wird, d. h. je größer das Flächenstück ist. Dieser Druck wirkt jedoch nicht nur auf die Gefäßwände, sondern herrscht überall im Innern der Flüssigkeit; ein in diese gebrachtes dünnes Blechstückchen z. B. erleidet von beiden Seiten her den gleichen seiner Oberfläche proportionalen und zu ihr senkrechten Druck. Als Einheit des Flüssigkeitsdruckes wählt man gewöhnlich den Druck von 1 kg auf 1 qcm Fläche. Eine nützliche Anwendung von der allseitig gleichen Fortpflanzung des Druckes im Wasser macht man in der hydraulischen Presse.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 734.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: