Fortūna

[797] Fortūna (auch mit Fors [i. d.] zusammengestellt: Fors F.), die altitalische Glücks- und Schicksalsgöttin, entsprechend der Tyche (s.d.) der Griechen. In Rom wurde ihr Dienst zurückgeführt auf ihren Liebling Servius Tullius (s.d.), der ihr zwei Tempel gestiftet haben sollte. Im Laufe der Zeit gestaltete sich ihr Kult zu einem der ausgedehntesten; in zahlreichen Heiligtümern wurde sie verehrt unter mannigfachen Namen nach den verschiedenen Lebensbeziehungen, in denen man sich ihre Macht wirksam dachte. Sie ist bald eine gute (F. bona, felix, obsequens, respiciens), bald eine böse Göttin (F. mala), ferner eine zweifelhafte (F. dubia), verlockende (viscata), unstete (brevis), beständige (manens), in Familien- (F. privata) wie in Staatsangelegenheiten (F. publica) waltende Göttin. Sie begleitete ihren Schützling von der Geburt an und verhilft dem Jüngling zum Bart und zur Männlichkeit (F. barbata), der Jungfrau zum Eintritt in den Ehestand (F. virgo, der junge Frauen ihr Gewand weihten), der Hausfrau zum Verbleiben im Ehebund ohne Verwitwung und Wiederverheiratung (F. muliebris) sowie zur Gewinnung und Erhaltung der Liebe des Mannes (F. virilis), den Eheleuten zum Besitz von Kindern (F. liberum). Als öffentliche Göttin erscheint F. in Beziehung zum ganzen Staate (F. populi Romani) wie zu den einzelnen Ständen (F. patricia, equestris und plebeja), zur Zeit der Kaiser als F. Augusta. Andre Benennungen, unter denen F. noch verehrt wurde, sind: F. victrix (die Siegbringende); F. dux (Begleiterin der Kaiser auf ihren Reisen) und F. redux (Göttin der glücklichen Heimkehr des Augustus im J. 19 v. Chr., sowie seiner Nachfolger). Berühmte Kultusstätten der F. außerhalb Roms waren Präneste mit einem Tempel der F. primigenia (der Erstgebornen, Tochter des Jupiter) und Antium, wo sie auch Orakel (sortes Praenestinae oder Antiates) erteilte. Auch wurde sie mit Isis (s.d.) identifiziert und, mit den Attributen andrer Götter versehen, als Panthea (Allgöttin) verehrt. In bildlichen Darstellungen sind die gewöhnlichen Attribute der F. Füllhorn als Spenderin aller guten Gaben und Steuerruder als Lenkerin der Schicksale, während das Flüchtige und Veränderliche ihres Wesens Flügel, die Kugel unter ihren Füßen und das Rad ausdrückten. Als Göttin der Schiffahrt bezeichnet sie ein Schiffsvorderteil.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 797.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: