Fortūna [1]

[436] Fortūna (lat.), 1) Glück; 2) (Myth.), bei den Griechen Tyche, Glücksgöttin, Tochter des Okeanos; in der alten orphischen Religion war sie eins mit Hekate, später wurde sie besonders verehrt. Sie ist Spenderin guter u. böser Schicksale u. bes. Aufseherin der Städte, u. hatte Tempel zu Korinth, Elis, Smyrna, Antium u. Präneste. In Antium hatte sie zwei Bildsäulen (Antianae Fortunae), welche auf Befragen durch Winke od. Loose Orakel ertheilten; in Präneste hieß sie Primigenia, die allein Werdenden Grund u. allem Gewordenen Begleiterin war. Am meisten wurde sie in Rom verehrt, wo sie 26 Tempel hatte, z.B. F. brevis, wegen ihrer vorübergehenden u. wankenden Gunst; F. virginālis, von den Mädchen u. Unverheiratheten verehrt, welche ihr auch bei der Vermählung ihren Jungfrauenschmuck weiheten; dagegen F. muliĕbris, von den Weibern verehrt, ihr Bild stand auf der Via Latina; F. virīlis, zu deren Tempel, welcher von dem König Servius Tullius am Tiber gebaut war, die Weiber am 1. April kamen u. Weihrauch opferten, bittend, daß sie ihre Leibesfehler ihren Männern verberge; der F. redux wurden von Solchen, die glücklich von einer Reise, aus einem Feldzuge, aus dem Exil zurückgekehrt waren, Steine gesetzt u. Münzen geprägt. Attribute: doppeltes Steuerruder für die Nachen des guten u. bösen Glücks; in Messene eine Himmelskugel auf dem Kopf, in der Hand ein Füllhorn; in Theben den Plutos, Gott des Reichthums, als Kind auf den Armen; später Rad, Kugel, Binde vor den Augen, jene beiden bald neben ihr, bald sie selbst stehend auf denselben. In griechischen Abbildungen erscheint sie häufig geflügelt, in römischen niemals, denn, nachdem sie die ganze Erde durchflogen hatte, legte sie endlich, auf dem Palatinischen Berge in Rom angelangt, ihre Flügel ab, um für immer dort zu verweilen; 3) eine der Penaten, s.u. Etruskische Religion; 4) Asteroid, wurde am 22. August 1852 von Hind in London im Sternbilde des Wassermannes aufgefunden u. erhielt das Gouldsche Zeichen Fortūna [1]. Seine Bahn liegt zwischen denen der Lutetia u. Parthenope u. seine mittlere Entfernung von der Sonne beträgt 50,528,000 geograph. Meilen; seine siderische Umlaufszeit 3 Jahre 298 Tage 23 Stunden.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 6. Altenburg 1858, S. 436.
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