Hymnos

[704] Hymnos (griech.-lat. Hymnus, ins Deutsche übertragen Hymne mißbräuchlich mit weiblichem Geschlecht) bezeichnet bei den Griechen ein stehend (nicht tanzend oder schreitend) zur Kithara vorgetragenes Preislied auf einen Gott, anfangs im epischen Versmaß, dann auch in den lyrischen Versarten, wie z. B. bei Alkäos, Anakreon und Pindar, sowie in Distichen, wie bei dem Alexandriner Kallimachos. Verfasser wie Sänger solcher Gedichte hießen Hymnoden. Die ältesten Hymnen bilden die Sammlung der 34 sogen. Homerischen Hymnen, die Gedichte sehr verschiedener Zeit vereinigt (vgl. Hollander in der »Festschrift zur 300jährigen Jubelfeier des Ratsgymnasiums zu Osnabrück«, Osnabr. 1895). Die Sammlung der orphischen Hymnen entstammt z. T. der letzten Zeit griechischer Kultur (s. Orpheus). In der christlichen Zeit ist Hymnus die umfassende Bezeichnung des Lobgesanges auf Gott, Christus, die Heiligen, zunächst in antiken Metren, dann häufiger in gereimten, nach dem Wortakzent gebauten Rhythmen. Der bedeutendste Vertreter der orientalischen Kirche war Romanos (s. d.). Die ungeheure Menge der seit Hilarius von Poitiers und Ambrosius von Mailand geschriebenen lateinischen Hymnen ist durch die bisherigen Ausgaben noch keineswegs vollständig bekannt gemacht und die hergebrachte Zuweisung an einzelne Verfasser oft sehr willkürlich. Sammlungen lateinischer Hymnen des Mittelalters: Daniel, Thesaurus hymnologicus (Halle 1841–56, 5 Bde.); Mone, Lateinische Hymnen des Mittelalters (Freiburg 1853–54, 3 Bde.); Kehrein, Kirchen- und religiöse Lieder (Paderborn 1853); Vilmar, Spicilegium hymnologicum (Marb. 1857); Morel, Lateinische Hymnen des Mittelalters (Einsiedeln 1867); Dreves, Analecta hymnica medii aevi (bisher 44 Bde., Leipz. 1886–1904); Milchsack, Hymni et sequentiae (Halle 1886); Roth, Lateinische Hymnen des Mittelalters (Augsb. 1887); Misset u. Weale, Thesaurus hymnologicus (Lond. 1888); Werner, Die ältesten Hymnensammlungen von Rheinau (Zür. 1891); Warren, The antiphonary of Bangor (Lond. 1893);. Chevalier, Poésie liturgique traditionnelle de l'Eglise catholique (Tournai 1894); vgl. ferner Chevalier, Repertorium hymnologicum (Löwen 1892–94, 2 Bde.); Julian, Dictionary of hymnology (Lond. 1892), und A. Schulte, Die Hymnen des Breviers nebst den Sequenzen des Missale, übersetzt u. erklärt (Paderb. 1898); »Hymnologische Beiträge«, herausgegeben von Blume und Dreves (Bd. 1 u. 2, Leipz. 1897–1901). Eine Entwickelungsgeschichte der lateinischen Hymnologie versuchte zuletzt Chevalier, Poésie liturgique du moyen-âge (Par. 1893), woselbst die frühern Arbeiten verzeichnet sind. – In den neuern Literaturen kommt Hymnus (im Deutschen abwechselnd mit Hymne; franz. hymne; ital. inno; engl. hymn) als Benennung lyrischer Gedichte vor, die irgend ein feierlich gesteigertes Gefühl, oft mit großer Freiheit der äußern Form, zum Ausdruck bringen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 704.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: