Jahr

[150] Jahr, schlechtweg soviel wie Sonnenjahr, d. h. die Zeit eines Umlaufs der Erde um die Sonne. Je nach der Wahl des Anfangs- und Endpunktes in der Erdbahn unterscheidet man verschiedene Jahre: 1) Das siderische J. oder Sternjahr ist die wahre Umlaufszeit, nach deren Ablauf die Erde wieder nach demselben festen Punkt ihrer Bahn (der Ekliptik) zurückkehrt, die Sonne also für uns wieder bei demselben Fixstern erscheint. Es beträgt nach Newcomb im J. 1900: 365,25636042 Tage = 365 Tagen 6 Stund. 9 Min. 9,539 Sek. Seine Länge ist nahezu konstant, in 1000 Jahren nimmt es nur um 1/10 Sekunde zu 2) Das tropische oder Äquinoktialjahr ist die Zeit, nach deren Ablauf die Erde wieder zum Frühlingspunkt zurückkehrt. Letzterer ist aber kein fester Punkt der Erdbahn, sondern infolge der Anziehung, die der Mond und die Planeten auf die Erde ausüben, geht er jährlich um durchschnittlich 50,24 Bogensekunden rückwärts. Das tropische J. ist daher kürzer als das siderische, seine mittlere Dauer beträgt im J. 1900[150] nach Newcomb 365,24219879 Tage = 365 Tagen 5 Stund. 48 Min. 45,975 Sek. Da aber das Zurückweichen des Frühlingspunktes (die Präzession) mit der Zeit veränderlich ist, so ist auch die Länge des tropischen Jahres veränderlich, sie nimmt in 1000 Jahren um 5,30 Sekunden ab. Der Name tropisches J. rührt daher, daß man zu seiner Bestimmung früher die Zeit ermittelte, innerhalb deren die Sonne in ihrer scheinbaren Bahn wieder zu demselben Wendekreis (tropicus) zurückkehrte. 3) Das anomalistische J. ist die Zeit zwischen einer Sonnennähe (einem Perihel) und der nächstfolgenden. Weil die große Achse der Erdbahn sich jährlich um etwa 11,5 Bogensekunden im Sinne der Bewegung der Erde dreht, so ist das anomalistische J. größer als das siderische, nämlich im J. 1900 = 365,25964134 Tagen. Da aber die Bewegung des Perihels nicht gleichförmig ist, so ist auch das anomalistische J. veränderlich. Nach Ablauf eines solchen Jahres ist die Anomalie (s. d.) wieder dieselbe. Mit dem Namen Platonisches oder großes J. bezeichnet man bisweilen die Umlaufszeit des Frühlingspunktes in der Ekliptik, ungefähr 26,000 Jahre. Mondjahr ist die Zeit von zwölf synodischen Monaten, gleich 354,367 Tagen, dasselbe ist also rund 11 Tage kürzer als das Sonnenjahr (s. Kalender). Das bürgerliche J. unterscheidet sich von dem Sonnenjahr oder astronomischen J. dadurch, daß es eine ganze Zahl von Tagen hat; das von Julius Cäsar eingeführte Julianische J. enthält 3651/4 Tage. J. der Verwirrung (annus confusionis), eigentlich letztes J. der Verwirrung (annus confusionis ultimus), ist das J. 46 v. Chr., in dem der Julianische Kalender eingeführt wurde. Vgl. Kalender, Chronologie und Kirchenjahr.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 150-151.
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