Achse

[81] Achse (Axe, lat. Axis, auch Umdrehungs- oder Rotationsachse), in der Mechanik eine durch einen Körper gehende gerade Linie, um die sich dieser so herumbewegt (sich dreht oder »rotiert«), daß jeder seiner Punkte einen Kreis beschreibt, dessen Ebene zur A. senkrecht ist, und dessen Mittelpunkt auf der A. liegt. Da durch diese Kreisbewegung jedes Körperteilchen das Bestreben erlangt, sich von der A. zu entfernen (Zentrifugalkraft), so übt es auf die A. einen Druck aus, der durch einen gleichen, aber entgegengesetzt gerichteten aufgehoben wird, wenn die Masse des Körpers rings um die A. gleichmäßig verteilt ist. Eine solche A., auf die kein aus der Umdrehung entspringender Druck wirkt, heißt freie A. Da jedes um eine freie A. rotierende Massenteilchen vermöge der Trägheit in seiner zur A. senkrechten Drehungsebene zu beharren strebt, so zeigt auch die freie A. das Bestreben, ihre Richtung im Raum beizubehalten, und setzt daher einer äußern Kraft, die sie aus dieser Richtung bringen will, einen um so größern Widerstand entgegen, je größer die Wucht der Rotationsbewegung ist (Steifheit der A.). – Ähnlich gebraucht die Geometrie das Wort A. zunächst bei Umdrehungs-(Rotations-)flächen oder Körpern, die dadurch entstehen, daß man sich eine Linie oder einen ebenen Flächenraum um eine Gerade, die dann A. der Fläche oder des Körpers heißt, gedreht denkt. So entsteht die Kugelfläche (der Kugelkörper), wenn sich ein Halbkreisbogen (eine Halbkreisfläche) um den Durchmesser als A. dreht. Im weitern Sinn ist geometrische A. einer Figur oder eines Körpers jede Gerade, um die die Punkte der Figur (des Körpers) mit einer gewissen Regelmäßigkeit verteilt sind (vgl. Symmetrie). Dementsprechend nennt man in der Physik A. eines Magnets die Verbindungslinie seiner beiden Pole, A. einer Linse die Verbindungslinie der Krümmungsmittelpunkte ihrer beiden kugeligen Oberflächen, A. eines Fernrohrs die gerade Linie, auf der die Krümmungsmittelpunkte aller seiner Linsen liegen. – In der Kristallographie heißen Achsen gerade Linien, die durch den Mittelpunkt eines Kristalls gelegt gedacht werden und entweder zu vorhandenen Symmetrieebenen senkrecht stehen oder parallel vorhandenen oder möglichen Kristallkanten verlaufen. Alle Teile des Kristalls liegen regelmäßig um die Achsen verteilt. Die Längenverhältnisse und die Lage dieser Achsen sind bezeichnend für die Kristallformen. Bei doppeltbrechenden Kristallen nennt man optische A. jede Richtung, nach der sich in denselben die Lichtwellen nur mit einer einzigen Geschwindigkeit fortpflanzen. – In der Maschinenlehre entspricht die A. im allgemeinen der geometrischen A. eines Körpers. A. einer Maschine, die durch deren Hauptteile bestimmte Mittellinie (s. auch Achsen). – A. des Himmels (Weltachse), die gerade Linie, um die sich der Himmel bei seiner scheinbaren täglichen Rotation dreht; ihre Endpunkte sind der Nord- und Südpol am Himmel (vgl. Himmel). Die Erdachse ist das Stück derselben, das in den Erdkörper fällt; ihre Endpunkte sind der irdische Nord- und Südpol. Da die Weltachse auf der Ebene des Äquators und den Ebenen aller mit diesem parallelen Kreise senkrecht steht, so ist sie zugleich A. des Äquators und der Parallelkreise; ebenso sind[81] die Achsen der Ekliptik und des Horizonts die geraden Linien, die senkrecht auf der Ebene der Ekliptik und der des Horizonts stehen. Da die Planeten und Kometen in Kegelschnitten laufen, so hat bei ihren Bahnen der Ausdruck A. die bei den genannten Kurven übliche Bedeutung. – Über A. in der Botanik s. Achsenorgan. – In der Zoologie ist die Hauptachse diejenige Linie, die man sich im Körper so gezogen denkt, daß sie den Mund (oralen Pol) und die ihm entgegengesetzte Stelle des Körpers (aboralen Pol) trifft. – In der Architektur nennt man A. die gerade Linie, die durch die Mitte eines Bauwerkes oder Bauteiles der Länge (Längsachse) oder der Breite nach (Querachse) gezogen wird. Durchgehende, gebrochene, gleiche, wechselnde etc. Achsen sind wesentlich mitbestimmend für den Charakter des Bauwerks.

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Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 81-82.
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