Horizont

[550] Horizont (v. griech. horizein, »begrenzen«, Gesichtskreis), der Kreis, in dem sich scheinbar der halbkugelförmige Himmel und die Erdoberfläche schneiden, wenn man sich auf offenem Meer oder in einer weiten Ebene befindet. Der Standpunkt des Beobachters bildet den Mittelpunkt dieses Kreises. In der Astronomie unterscheidet man den scheinbaren und den wahren oder geozentrischen H.; ersterer ist der Durchschnitt der scheinbaren Himmelskugel mit der die Erde im Standpunkt A des Beobachters berührenden Ebene, letzterer der Schnitt einer parallelen, durch den Erdmittelpunkt O gelegten Ebene mit der Himmelskugel.

Fig. 1.
Fig. 1.

In Fig. 1 bedeutet der kleine Kreis um O die Erde, der große die Himmelskugel; der scheinbare H. von A ist daher ein Kreis mit dem Durchmesser H1H1, der senkrecht zur Papierebene steht, der wahre H. aber hat HH als Durchmesser. Für einen Himmelskörper M mit merklicher Parallaxe, wie für den Mond, ist die auf den wahren H. bezogene Höhe h größer als die auf den scheinbaren H. bezügliche h 1, welche die Beobachtung liefert; der Unterschied ist der Winkel P 1, die sogen. Höhenparallaxe. Steht ein Himmelskörper für den Beobachter A im (scheinbaren) H., so ist seine Höhe über dem wahren H. noch gleich dem Winkel H1OH = P, der Horizontalparallaxe des Himmelskörpers; vgl. Parallaxe. Bei Beobachtung von Fixsternen kann man wegen der außerordentlich großen Entfernung derselben beide Horizonte als zusammenfallend betrachten.

Fig. 2.
Fig. 2.

Die Ebene des Horizonts heißt die Horizontalebene; sie steht senkrecht auf der Richtung der Schwere, die uns das Lot, ein ruhendes Pendel, angibt, und wird unmittelbar durch die Oberfläche einer ruhenden Flüssigkeit bezeichnet. Darin liegt der Grund für die Verwendung der Wasserwage zum Horizontalstellen von Linien und Ebenen bei astronomischen und geodätischen Beobachtungsinstrumenten. Zu manchen Beobachtungen, insbes. zur Messung von Sonnen- und Sternhöhen auf dem Festland mit dem Spiegelsextanten, benutzt man eine spiegelnde horizontale Ebene, einen sogen. künstlichen H., um dann den scheinbaren Abstand (Winkelabstand) zwischen der Sonne oder dem Stern und dem Spiegelbild, also die doppelte gesuchte Höhe, messen zu können. In der Regel benutzt man hierzu ein flaches, mit Quecksilber angefülltes Gefäß (Quecksilberhorizont) oder eine mit Hilfe eines Niveaus horizontal gestellte Spiegelglasplatte. Der Kreis, in dem für unser Auge Himmel und Erde zusammenzustoßen scheinen, fällt indes niemals streng mit dem scheinbaren H. zusammen; er liegt nicht in der Berührungsebene der Erde, sondern in einer ihr parallelen, und zwar um so tiefer unter jenem, je höher der Standpunkt des Beobachters ist. In Fig. 2 ist O der Mittelpunkt und OA = r der Radius der kugelförmig angenommenen Erde, B ist das Auge eines Beobachters in der Höhe AB = h über der Erdoberfläche. In diesem Fall ist

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der Durchmesser des vom Beobachter übersehenen Kreises, des sogen. natürlichen Horizonts. Die Linie vom Auge nach einem Punkt auf dem Umfang dieses Kreises bildet mit der Horizontalen B H den Winkel HBC = d, die sogen. Kimmtiefe oder Depression des Horizonts, die durch die Formel

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bestimmt wird (vgl. Kimmtiefe). – In der Meßkunst heißt H. soviel wie Niveau (s. d.). – In der Geologie eine ihrer Versteinerungsführung, ihrem Alter, ihrer Lagerung oder ihrer petrographischen Beschaffenheit nach gut charakterisierte Schicht oder Schichtengruppe, Zone, Stufe.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 550.
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