Jeremīas

[229] Jeremīas (d. h. wahrscheinlich »Jahve gründet« oder »Jahve verwirft«), hebr. Prophet, ein Priester. ms Anathoth unweit Jerusalem, wo er seit König Josias (628 v. Chr.) als Prophet auftrat. Ungefähr 40 Jahre lang hat er, meist in Jerusalem, unter höchst verhängnisvollen Zeitverhältnissen die prophetische Tätigkeit mit Mut und Leidenschaft geübt und dabei stets die religiös-politische Lage des seinem Untergang entgegengehenden Staates mit pessimistischem, aber durch den Erfolg gerechtfertigtem Blick gewürdigt. Fortwährend den unvermeidlichen Untergang des Reiches und die Zerstörung der Stadt durch die Chaldäer weissagend, wurde er unter Jojakim und Zedekia für die nationale Partei ein Gegenstand des Hasses und der Verfolgung. Während der Eroberung Jerusalems saß er im Gefängnis, woraus ihn Nebukadnezar befreite. Er zog den Aufenthalt unter den Trümmern des Vaterlandes dem Exil in Babel vor. Nach einer jüdischen Überlieferung wäre er schließlich doch nach Babel geführt worden; dem steht die bei Kirchenvätern erhaltene Angabe gegenüber, daß er zu Thachpanhes an der ägyptischen Grenze von seinen Volksgenossen gesteinigt ward. Die unter seinem Namen erhaltenen Weissagungen sind in dem Buche Jeremiä gesammelt. Den Grundstock bilden dabei die vom Propheten seinem Schreiber Baruch im F. 695 diktierten Orakel (s. Kap. 36,2). Weitere Stücke sind im Exil auf Grund von Aufzeichnungen des J. oder Baruchs oder eines andern Augenzeugen dazu gekommen. Der Abschluß des Buches erfolgte erst um 400. Über die sogen. Klagelieder Jeremiä, die mit dem Propheten nichts zu tun haben, s. diesen Artikel. Vgl. die Kommentare von Giesebrecht (Göttingen 1894) und Duhm (Tübing. 1901; Übersetzung in den Versmaßen der Urschrift, das. 1903); außerdem Erbt, Jeremia und seine Zeit (Götting. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 229.
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