Lettres de cachet

[456] Lettres de cachet (franz., spr. lettr' dö kaschä), die berüchtigten Verhaftsbefehle der Könige von Frankreich vor der Revolution von 1789, durch die mißliebige Personen aus der Hauptstadt oder dem Lande verwiesen, oder ohne Urteil und Recht in die Bastille oder ein andres Staatsgefängnis gebracht wurden. Die königlichen Schreiben (lettres royales) zerfielen überhaupt in lettres patentes, d.h. offene, und in l. d. c., »versiegelte Briefe«. Die erstern wurden immer auf Pergament geschrieben, trugen die Namensunterschrift des Königs und die Kontrasignatur eines Ministers, waren nicht zusammengefaltet, sondern nur am Rand umgebogen und hatten das große Staatssiegel beigedruckt. Die L. dagegen wurden entweder im Namen oder im Auftrag des Königs, ohne andre Kontrolle als die Signatur eines Ministers, auf Papier geschrieben und mit dem kleinen königlichen Siegel geschlossen. Es wurde, besonders seit Ludwig XIV., um mißliebige Personen unschädlich zu machen, ein so großer Mißbrauch mit diesen Briefen getrieben, daß der Lieutenant général der Polizei gewöhnlich im voraus angefertigte L. besaß, in die er nur den Namen des zu Verhaftenden einschrieb. Doch war diese Verhaftung häufig auch eine königliche Gnade, indem der dadurch Betroffene der Justiz entzogen wurde. Ein Dekret der Nationalversammlung vom 23. Juni 1789 machte den L. ein Ende. Doch wurden sie 1811 von Napoleon I. wieder eingeführt. Vgl. Mirabeau, Des L. d. c. et des prisons d'État (Par. 1782); Funck-Brentano, Les l. d. c.en blanc (das. 1897) und Les L. d. c. à Paris (das. 1904); Chassaigne, Des l. d. c. sous l'ancien régime (das. 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 456.
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