Marcĭon

[272] Marcĭon, der Stifter der Marcioniten, einer christlich-gnostischen Sekte, war nach der besten Überlieferung ein Reeder zu Sinope im Pontus, begab sich um 140 nach Rom, wo er unter den Einfluß des syrischen Gnostikers Cerdo kam, brach 144 mit der kirchlichen Gemeinde und gründete eine eigne Gemeinschaft, die besonders im Orient große Verbreitung fand. Seine Todeszeit ist unbekannt. M. versuchte das Christentum völlig vom Judentum zu trennen, indem er die alttestamentliche und die ihm als verfälscht geltende urchristliche Überlieferung verwarf und nur zehn paulinische Briefe (ohne die Pastoralbriefe) und das nach seinem System zugeschnittene Lukasevangelium als echte Zeugnisse von Christus anerkannte. Den Gott des Christentums stellte er als den guten dem Gott der Juden als dem gerechten gegenüber. Dem theologischen Dualismus trat weltflüchtige Askese zur Seite. Die marcionitischen Gemeinden sind im Orient die Vorläuferinnen der manichäischen und paulicianischen gewesen. Vgl. Meijboom, M.en de Marcioniten (Leiden 1887); Harnack, Lehrbuch der Dogmengeschichte, Bd. 1 (3. Aufl., Freiburg 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 272.
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