Martignac

[364] Martignac (spr. -tinjack), Jean Baptiste Gage, Vicomte de, franz. Staatsmann, geb. 1776 in Bordeaux, gest. 3. März 1832, ließ sich als Advokat in Bordeaux nieder. Da er während der Hundert Tage in einer Broschüre gegen Napoleon I. auftrat, erhielt er nach der zweiten Restauration die Stelle eines Generalprokurators zu Limoges. 1821 in die Deputiertenkammer gewählt, schloß er sich hier der konstitutionellen Partei an und bekundete ein bedeutendes Rednertalent. Bei der Expedition nach Spanien 1823 bekleidete er die Stelle eines Zivilkommissars; 1824 ward er zum Staatssekretär, darauf zum Direktor der Domänen und zum Vicomte befördert. Nach Rücktritt des Ministeriums Villèle 3. Jan. 1828 zum Minister des Innern ernannt, erlangte er im neuen Ministerium durch seine versöhnliche, gemäßigte Haltung gegen die Liberalen und seine staatsmännische Einsicht den überwiegenden Einfluß. Er begann eine zweckmäßige Reform der Verwaltung und entfernte viele dem Volk verhaßte Personen aus derselben. Am 8. Aug. 1829 vom Ministerium zurückgetreten, hielt er sich in der Deputiertenkammer zur Opposition. Dennoch trat er nach der Julirevolution in der Kammer als Verteidiger des Charakters Karls X. auf und führte mit edler Freimütigkeit in dem Prozeß gegen die Exminister die Verteidigung Polignacs. Nach seinem Tod erschien von ihm: »Essai historique sur la révolution d'Espagne et sur l'intervention de 1823« (Par. 1832, 3 Bde.). Vgl. E. Daudet, Le ministère de M. de M. (Par. 1875).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 364.
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