Meroë

[642] Meroë, altäthiop. Reich, das sich von der großen Nilkrümmung in Nubien bis an die abessinischen Berge erstreckte. Die Stadt M., deren Trümmer (Tempelreste und zwei Pyramidengruppen) man noch bei Begerawîe in Dar Schendi sieht, war der Hauptsitz dieses mächtigen Priester- und Handelsstaates, dessen berühmteste Zierde ein Tempel des Ammon war. M. hatte eine theokratische Verfassung; an der Spitze stand ein von den Priestern ägyptischen Ursprungs aus ihrer Mitte gewählter und daher vom Priesterkollegium abhängiger König. Die Kultur Meroës war von Ägypten erborgt und nicht umgekehrt, wie man fälschlich angenommen hat. Die dortigen Pyramiden, in drei Gruppen 80 an der Zahl und von 4–50 m Höhe wechselnd, die Sphinxalleen und Götterstatuen beweisen durch ihren entarteten Stil ihren Ursprung aus der letzten Zeit ägyptischer Kunstübung. Inschriften, die über die Zeit der Erbauung Aufschluß geben könnten, sind nicht vorhanden. Die Bewohner waren Chamiten und Neger, zu denen sich Ägypter als Kulturträger gesellten. Seiner überwiegenden Kultur, dem Einfluß seiner Priesterschaft und seinem weitverzweigten Karawanenhandel mit Ägypten, Arabien etc. verdankte der Staat von M. eine solche Größe und Macht, daß er lange Zeit hindurch die Herrschaft über das ganze nördliche Äthiopien behauptete, bis endlich die Priesterherrschaft zur Zeit des Ptolemäos Philadelphos (286–247) vom einheimischen Häuptling Ergamenes vernichtet wurde.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 642.
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