Mistbeetkultur

[906] Mistbeetkultur, Anzucht von Zier-, Gemüse- und Fruchtpflanzen, bis zur vollen Entwickelung oder spätern Auspflanzung ins Freie unter Fenstern in durch fermentierende Stoffe (Mist, Wollabfälle, Laub, Lohe etc.) erwärmten Kasten (Mistbeet, Lohbeet). Diese haben meist eine Breite von 1,50 m und 8–10 m Länge, gewöhnlich mit Bretterwänden, und stehen über einer entsprechenden Grube von ca. 1 m Tiefe, die mit den sich erhitzenden Stoffen gefüllt wird. Man wählt diese wärmeliefernden Stoffe nach der beabsichtigten Kultur, bez. nach den zu erreichenden Temperaturen. Wollabfälle und Pferdemist erhitzen sich rasch zu hohen Temperaturen, verlieren diese aber ebenso rasch. Man wendet sie an, wenn es sich um die Anzucht sehr wärmebedürftiger Pflanzen handelt, die so wie so den Kasten öfter wechseln müssen, um immer gleichmäßig hohe Temperaturen zu finden. Der sich abkühlende Kasten wird von weniger wärmebedürftigen Pflanzen bezogen. Gemische von Laub, Pferdemist, Lohe, Laub allein geben weniger Wärme, bleiben aber länger warm. Die einmal erreichte Wärme wird länger erhalten, wenn man die Holzkasten mit einem Umschlag (Umsatz) außen herum in Höhe der Kastenwände aus Mist oder Laub versieht. Der Vorteil der M. besteht in erster Linie in dem unbehinderten Lichtzutritt zu einer Jahreszeit, in[906] der in den Gewächshäusern gewöhnlich Lichtmangel herrscht. Außerdem gewähren die nie ganz dichten Fenster einen lebhaften Luftwechsel, während die gleichmäßige Wärme und Feuchtigkeit in dem niedrigen Raume den Pflanzenwuchs in jeder Beziehung begünstigen. Die M. ist denn auch das Hauptmittel des Gärtners zur raschen Heranzucht junger, kräftiger Pflanzen für alle Zwecke. Die Holzkasten werden neuerdings ersetzt durch gemauerte oder aus Zementdielen aufgebaute Kasten, die im günstigsten Fall auch noch durch die Rohre einer Warmwasser- oder Dampfheizung erwärmt werden. Sie gestatten eine bessere Regulierung der Wärme. Zur Erhaltung der Wärme bedeckt man die Fenster nachts mit Matten aus Stroh, Lindenbast, Rohr, Brettern, die man bei strenger Kälte mit Säge- oder Hobelspänen, Laub oder Lohe beschüttet. Bei gelinder Witterung werden die Fenster mittels untergesteckter Luft- oder Kerbhölzer an der dem Wind abgewendeten Seite gelüstet, bei warmem, sanftem Regen ganz abgenommen. Je wärmer das Wetter wird, desto mehr muß man die Pflanzen an die Luft gewöhnen, besonders wenn man sie auf den Stand im Freien vorbereiten will. Bei vielen kann man die Fenster bald am Tage ganz abnehmen und braucht sie nur in kalten Nächten auszulegen. Zum Beschatten dienen Rohr-, Stäbchen- oder Bastmatten, Leinwand- oder Papierfenster. Viele Pflanzen, die im Handel eine Hauptrolle spielen, sind nur in der M. rasch in der Gesundheit und Schönheit heranzuziehen, wie man sie heute verlangt (Cyclamen, Gloxinien, Fuchsien, Pelargonien), die vielen Frühgemüse (Frühbeete), Erdbeeren etc. Vgl. Bode, Das Mistbeet (Berl. 1900); Betten, Das Mistbeet (Erfurt 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 906-907.
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