Ostrazismus

[233] Ostrazismus (griech. Ostrakismos, Scherbengericht), ein Volksgericht bei den alten Griechen, hauptsächlich in Athen, aber auch in Argos, Megara, Milet und Syrakus, wo es Petalismos (»Blättergericht«) hieß, das Männer, die ein die Freiheit des Staates gefährdendes Ansehen erlangt hatten oder durch ihre Opposition die ruhige Entwickelung des Gemeinwesens störten, verbannte, ohne daß sie jedoch an Ehre und Vermögen dadurch geschädigt wurden. In Athen wurde der O. 509 v. Chr. durch Kleisthenes eingeführt. Das Volk ward alljährlich zu einer Abstimmung darüber aufgefordert, ob der O. vorzunehmen sei oder nicht. Wurde die Frage bejaht, so gab in der nächsten, von den neun Archonten und dem Rate der Fünfhundert geleiteten Volksversammlung jeder Bürger seine Stimme, auf ein Ostrakon (Scherbe, irdenes Täfelchen) geschrieben, ab, und wenn einer 6000 Stimmen gegen sich hatte, mußte derselbe auf zehn Jahre das Land verlassen, wenn er nicht durch Volksbeschluß früher zurückgerufen wurde. Der erste vom O. Betroffene war Hipparchos, des Charmos Sohn (487), ferner wurden durch ihn verbannt Aristeides (483), Themistokles (471), Kimon (461), Thukydides, des Melesias Sohn (444); der letzte war der Demagog Hyperbolos (417), nach dessen Verbannung der O. nicht mehr angewandt wurde. Vgl. Lugebil, Über das Wesen des O. (Leipz. 1861).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 233.
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