Archonten

[730] Archonten (griech., eigentlich »Herrscher, Anführer«), Bezeichnung der höchsten Beamten in mehreren (nicht-dorischen) Staaten des alten Griechenland, namentlich in Athen. Hier wurde, wie das Altertum überliefert, nach Abschaffung des Königtums 1068 v. Chr. die oberste Leitung des Staates einem Archonten aus dem Königsgeschlecht übertragen, der nach dem Recht der Erbfolge lebenslänglich herrschte. 752 ward die Dauer des Archontats auf 10 Jahre beschränkt und 713 der Zutritt allen Eupatriden geöffnet, endlich 683 die Amtsdauer auf 1 Jahr vermindert und die Macht unter neun A. verteilt. Der erste (Archon Eponymos), nach dem das Jahr benannt wurde, nahm etwa die Stellung eines Präsidenten der Republik ein; insbes. hatte er die Oberaufsicht über das ganze Gemeinwesen sowie die Gerichtsbarkeit über Familien- und Erbrecht; der zweite (Basileus, d.h. König, weil man den Rang des den Staat den Göttern gegenüber Vertretenden nicht vermindern wollte) die religiösen Obliegenheiten, die einst den Erbkönigen zukamen, Leitung der Opferdienste und Religionsfeste sowie die Aussicht über Tempel und Heiligtümer, der dritte (Polemarchos) die Leitung der Kriegsangelegenheiten. Die andern sechs hießen Thesmotheten (»Gesetzgeber«), überwachten gemeinsam die Handhabung der Gesetze und sprachen Recht. Auch lag ihnen die Leitung der Abstimmungen in der Volksversammlung sowie der Abschluß der Verträge mit andern Staaten ob. Die Ausbildung der athenischen Demokratie schwächte die Bedeutung dieser höchsten Staatswürde noch weiter: nach der Solonischen Verfassung (594) mußten die A. die Gesetzgebung und Verwaltung mit dem Rate der Vierhundert und mit der Volksversammlung teilen, von Kleisthenes wurde die Losung unter den Bewerbern eingeführt, während der Perserkriege auf Antrag des Aristeides das bisher nur von Bürgern der ersten Klasse bekleidete Amt allen zugänglich gemacht. Der Verlust der nationalen Freiheit beschränkte das Amt auf die Ehre des Namens. – Im bosporanischen Reich hießen die Fürsten anfänglich A., im byzantinischen Reich die großen Grundherren. – Archontat, Würde, Amt eines Archonten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 730.
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