Relativismus

[781] Relativismus heißt in der Erkenntnistheorie diejenige Ansicht, nach der unserm Erkennen immer nur Beziehungen und Verhältnisse der Dinge, niemals aber die Dinge selbst oder ihre eigentlichen Grundeigenschaften gegeben sind. Als Stütze dient dem R. die Tatsache, daß alle sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften der Gegenstände durch ihre Wechselwirkung teils untereinander, teils mit dem wahrnehmenden Subjekt zustande kommen, und weiter die Erwägung, daß wir ein Objekt immer nur durch Vergleichung mit andern begrifflich bestimmen können. Der R. führt entweder zum Skeptizismus, wie bei den griechischen Sophisten (der Mensch ist das Maß aller Dinge: Protagoras), oder zum Agnostizismus, wie bei Spencer, oder zum transzendentalen Idealismus, wie bei Kant, oder zum Positivismus, wie bei Comte. Der ethische R. leugnet die Existenz allgemeingültiger sittlicher Normen und nimmt an, daß die Begriffe von Gut und Böse sich ganz nach Ort, Zeit, Nationalität und sonstigen äußern Umständen gestalten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 781.
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