Erkenntnistheorie

[49] Erkenntnistheorie, der mit Logik und Psychologie eng zusammenhängende Teil der Philosophie, der sich mit der Feststellung des Ursprungs und der Tragweite (der Grenzen) des Erkennens beschäftigt. Als ihre Begründer sind Locke, Leibniz und Hume anzusehen; Kant erhob die E. zu dem Range der philosophischen Fundamentalwissenschaft, den bis dahin die Ontologie eingenommen hatte, und so hat sich die Philosophie des 19. Jahrh., insbes. seit den 1860er Jahren, fast vorwiegend mit den Fragen der E. beschäftigt, ohne daß es indes gelungen wäre, die zahlreichen auf diesem Gebiete herrschenden Gegensätze auszugleichen. Solche bilden der Sensualismus (s.d.) und der Intellektualismus (s.d.), der Empirismus (s.d.) und der Apriorismus (s. a priori). In bezug auf die Hauptfrage, wie es denkbar sei, daß die Vorstellungen im Subjekt mit den Dingen außer ihm überhaupt übereinstimmen, steht dem naiven Realismus, der keine Schwierigkeit in der Annahme findet, daß in der Wahrnehmung die äußern Dinge unmittelbar dem Bewußtsein gegenübertreten, der subjektive Idealismus entgegen, der leugnet, daß das Subjekt jemals die Dinge selbst erfassen könne; dem transzendentalen Idealismus, der das Erkennen auf die teils durch die Natur der »Dinge an sich«, teils aber auch durch die des Subjekts bedingte Erscheinungswelt einschränkt, stellt der transzendentale Realismus die Behauptung entgegen, daß dem Erkennen zwar unmittelbar nur Erscheinungen gegeben sind, diese aber auf Dinge an sich bezogen werden müssen. Zur Orientierung sind geeignet: Heymans, Die Gesetze und Elemente des wissenschaftlichen Denkens (Leiden 1890–94, 2 Bde.); E. v. Hartmann, Das Grundproblem der Erkenntnistheorie (Leipz. 1889); Liebmann, Zur Analysis der Wirklichkeit (3. Aufl., Straßb. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 49.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: