Hartmann

[842] Hartmann, 1) Richard, Industrieller, geb. 8. Nov. 1809 in Barr bei Straßburg, gest. 16. Dez. 1878 in Chemnitz, trat 1832 bei Haubold, dem Begründer der Chemnitzer Maschinenindustrie, als Gehilfe in Arbeit. 1837 machte er sich selbständig und begann mit nur drei Arbeitern den Bau von Baumwollspinnmaschinen. Durch die Erfindung und Ausführung der »Continue«, einer Vorspinnvorrichtung für Streichgarnspinnerei, gewann seine Fabrik einen wesentlichen Aufschwung; nun richtete er auch Eisen- und Metallgießerei ein und baute Dampfmaschinen und Dampfkessel. 1847–48 errichtete er eine Werkstätte für Lokomotiven- und Tenderbau, seit 1855 lieferte er auch Turbinen und Tangentialräder, bald darauf größere Bergwerksmaschinen, Kunstgezeuge, Bohrapparate und endlich auch Werkzeugmaschinen. Die Fabrik war eine der großartigsten und namentlich vielseitigsten in Deutschland. 1870 ging sie durch Kauf in den Besitz einer Aktiengesellschaft, der »Sächsischen Maschinenfabrik zu Chemnitz«, über, doch blieb H. bis zu seinem Tod im Verwaltungsrat tätig.

2) Robert, Naturforscher, geb. 8. Okt. 1832 in Blankenburg am Harz, gest. 20. April 1893 in Neu-Babelsberg, studierte in Berlin Medizin und Naturwissenschaften, begleitete 1859–60 den Freiherrn A. v. Barnim nach Nordostafrika, wurde 1865 Lehrer der Zoologie und vergleichenden Physiologie an der landwirtschaftlichen Akademie zu Proskau und 1867 Professor der Anatomie an der Universität zu Berlin. 1871–79 war er Vizepräsident der Gesellschaft für Erdkunde in Berlin und später Generalsekretär der Anthropologischen Gesellschaft. Er lieferte mehrere Untersuchungen über die Anatomie von Seetieren, angestellt an der italienischen und schwedischen Küste. Sein auf der afrikanischen Reise, besonders im Senaar, gesammeltes Material für Geographie, Ethnographie und Zoologie verarbeitete er in dem Werk »Reise des Freiherrn A. v. Barnim durch Nordostafrika etc.« (Berl. 1863). Er schrieb ferner: »Naturgeschichtlich-medizinische Skizze der Nilländer« (Berl. 1865–66); »Die Nigritier« (das. 1876, Bd. 1); »Die Völker Afrikas« (Leipz. 1880); »Handbuch der Anatomie des Menschen« (Straßb. 1881); »Der Gorilla« (Leipz. 1881); »Die menschenähnlichen Affen« (das. 1883); »Abessinien« und »Die Nilländer« (das. 1883); »Madagaskar etc.« (das. 1886). Auch bearbeitete er den anthropologischen Teil des Werkes über die Forschungsreise der Gazelle. Mit Bastian begründete er 1869 die »Zeitschrift für Ethnologie«.

3) Gustav, Romanist, geb. 31. März 1835 in Vechelde bei Braunschweig, gest. 16. Nov. 1894 in Tübingen, war von 1860–64 Privatdozent in Göttingen, wurde 1864 als Professor des römischen Rechts nach Basel, 1872 nach Freiburg berufen und lehrte seit 1878 in Göttingen, von wo er 1885 einem Ruf nach Tübingen folgte. Er schrieb: »Zur Lehre von den Erbverträgen und von den gemeinschaftlichen Testamenten« (Braunschw. 1860); »Über den rechtlichen Begriff des Geldes und den Inhalt von Geldschulden« (das. 1868); »Über Begriff und Natur der Vermächtnisse im römischen Recht« (das. 1872); »Die Obligation« (Erlang. 1875); »Internationale Geldschulden« (Freiburg i. Br. 1882); »Juristischer Kasus« (Jena 1884); »Leibniz als Jurist und Rechtsphilosoph« (Tübing. 1892).

4) Karl Robert Eduard von, Philosoph, geb. 23. Febr. 1842 in Berlin als Sohn des Generals Robert v. H., trat 1858 in das Garde-Artillerieregiment und besuchte die Artillerieschule, nahm 1865 als Oberleutnant wegen eines Knieleidens seinen Abschied, promovierte 1867 in Rostock und lebt seitdem als Privatmann in Berlin und Großlichterfelde bei Berlin. Nachdem er mit 22 Jahren den »Gedanken als seinen Beruf« erkannt hatte, begann er gegen Ende 1864 sein philosophisches Hauptwerk »ohne Plan« der Reihe nach niederzuschreiben, das unter dem Namen »Philosophie des Unbewußten« (Berl. 1869; 11. Aufl. 1904, 3 Bde.) erschien und rasch Aufsehen erregte. In die letzten Auflagen sind zwei naturphilosophische Arbeiten aufgenommen, die vorher selbständig erschienen waren: »Das Unbewußte vom Standpunkt der Physiologie und Deszendenztheorie« (Berl. 1872, 2. Aufl. 1877) und »Wahrheit und Irrtum im Darwinismus« (das. 1875). Sein zweites Hauptwerk ist »Das sittliche Bewußtsein« (zuerst u. d. T. »Phänomenologie des sittlichen Bewußtseins«, Berl. 1879, 2. Aufl. 1885), sein drittes: »Religionsphilosophie«, in 2 Bänden (2. Aufl., Leipz. 1888; Bd. 1: »Das religiöse Bewußtsein der Menschheit«, Bd. 2: »Die Religion des Geistes«); sein viertes »Ästhetik« (Berl. 1886–87, 2 Bde.; Bd. 1: »Die deutsche Ästhetik seit Kant«; Bd. 2: »Die Philosophie des Schönen«). Als größere Werke kommen noch hinzu: »Kategorienlehre« (Leipz. 1896), »Geschichte der Metaphysik« (das. 1899–1900, 2 Bde.) und »Die moderne Psychologie« (das. 1901). Außerdem veröffentlichte er neben einigen kleinern Schriften: »Über die dialektische Methode« (Berl. 1868); »Das Ding an sich und seine Beschaffenheit« (das. 1871; 2. Aufl. 1875 u. d. T.: »Kritische Grundlegung des transzendentalen Realismus«, 3. Aufl. 1885); »Erläuterungen zur Metaphysik des Unbewußten« (das. 1874; 2. Aufl. 1878 u. d. T.: »Neukantianismus, Schopenhauerianismus und Hegelianismus«); »Die Selbstzersetzung des Christentums und die Religion der Zukunft« (3. Aufl., das. 1888); »Gesammelte Studien und Aufsätze« (das. 1876, 3. Aufl. 1888), die zugleich die zweite Auflage mehrerer kleinerer Schriften, wie »Schellings positive Philosophie als Einheit von Hegel und Schopenhauer« (1869), »Gesammelte philosophische Abhandlungen zur Philosophie des Unbewußten« (1872), »Über Shakespeares ›Romeo und Julie‹« (1872) darstellen und eine Selbstbiographie enthalten; »Die Krisis des Christentums in der modernen Theologie« (Berl. 1880; 2. Aufl., Leipz. 1888); »Zur Geschichte und Begründung des Pessimismus« (Berl. 1880; 2. Aufl., Leipz. 1892); »Das Judentum in Gegenwart und Zukunft« (2. Aufl., das. 1885); »Philosophische Fragen der Gegenwart« (das. 1885); »Der Spiritismus« (das. 1885; 2. Aufl. 1898); »Moderne Probleme« (das. 1885, 2. Aufl. 1888); »Lotzes Philosophie« (das. 1888); »Das Grundproblem der Erkenntnistheorie« (das. 1889); »Kritische Wanderungen durch die Philosophie der Gegenwart« (das. 1889); »Die Geisterhypothese des Spiritismus und seine Phantome« (das. 1891); »Kants Erkenntnistheorie und Metaphysik in den vier Perioden ihrer Entwickelung« (das. 1893); »Die sozialen Kernfragen« (das. 1894); »Tagesfragen« (das. 1896, neue Folge 1900); »Schellings philosophisches System« (das. 1897); »Ethische Studien« (das. 1898); »Die Weltanschauung der modernen Physik« (das. 1902). Die hauptsächlichsten Schriften finden sich vereint in den »Ausgewählten Werken« (Leipz. 1886–1901, 13 Bde.). Unter dem Pseudonym Karl Robert veröffentlichte H.: »Dramatische Dichtungen: ›Tristan und Isolde‹, ›David und Bathseba‹« (Berl. 1871). In der Metaphysik sucht H. unter Anlehnung an Schellings positive Philosophie die Prinzipien Hegels[842] und Schopenhauers: die logische Idee und den unlogischen Willen zum »Unbewußten« im Sinn eines unbewußten Weltgeistes zu verschmelzen und den abstrakten Monismus der spekulativen Systeme mit dem realistischen Individualismus zu einem »konkreten Monismus« zu verknüpfen. In der Naturphilosophie strebt er auf der Basis des exakten Empirismus mittels der induktiven Methode eine Vereinigung der modernen Naturwissenschaft mit der metaphysischen Spekulation an; im Bereich der unorganischen Natur vertritt er einen »atomistischen Dynamismus«, in dem der organischen einen »Neovitalismus«. In der Erkenntnistheorie sucht er den transzendentalen Idealismus Kants durch seine Konsequenzen ad absurdum zu führen und die realistischen Bestandteile der Kantschen Vernunftkritik zu einem »transzendentalen Realismus« zu erweitern. Seine Ethik ist gleichzeitig auf die Teleologie (wie bei Hegel) und auf den Monismus (wie bei Schopenhauer) gegründet und sucht den moralischen Triebfedern des Geschmacks, des Gefühls und der Vernunft gleichmäßig Rechnung zu tragen. Seine Religionsphilosophie strebt auf psychologischer Basis eine Vereinigung der wertvollen Bestandteile des Christentums und der indischen Religionen, eine Überwindung des abstrakten Monismus und Theismus in der Synthese des konkreten Monismus an. Seine Ästhetik bekämpft den abstrakten (Platonischen) Idealismus ebenso wie den abstrakten Formalismus und sucht die rechte Mitte in einem »konkreten Idealismus«, der mit einem konkreten Formalismus sachlich auf dasselbe hinausläuft. In der Wertschätzung des Lebens bekämpft H. den einseitigen Schopenhauerschen Pessimismus wie den einseitigen Leibniz-Hegelschen Optimismus und vertritt gleichzeitig einen Pessimismus in betreff der Glückseligkeit der Welt und einen Optimismus in betreff ihres zweckmäßigen Entwickelungsfortschrittes. Der Pessimismus wird bei ihm wesentlich zu einem Motiv für den Verzicht auf den Egoismus und für die sittliche Hingabe an den teleologischen Prozeß des Ganzen und an dessen tatkräftige Förderung. In der Psychologie unterscheidet er die relativ unbewußten psychischen Phänomene in niedern Nervenzentren und Hirnzellen von den absolut unbewußten psychischen Tätigkeiten und betrachtet das Bewußtsein als das Ergebnis absolut unbewußter formativer Seelentätigkeiten auf Grund der unbewußten physiologischen Vorgänge in den Zentralorganen des Nervensystems. Neben seinen systematischen, historisch-kritischen und polemisch-apologetischen Arbeiten hat H. auch den Zeit- und Tagesfragen fortwährend Aufmerksamkeit zugewendet, wie seine zahlreichen Schriften, Abhandlungen und Journalartikel über politische, religiöse und soziale Fragen, Judentum, Frauenemanzipation, Tierschutz, Vegetarismus, Schulreform, Spiritismus etc. zeigen. – Hartmanns Schriften haben viel Anerkennung gefunden, aber auch starken Widerspruch von den verschiedensten Seiten hervorgerufen. Eine Übersicht der umfangreichen H.-Literatur bietet O. Plümacher in der Schrift »Der Kampf ums Unbewußte« (2. Aufl., Berl. 1890) und in »Der Pessimismus in Vergangenheit und Gegenwart« (Heidelb. 1884). Sein Bildnis s. Tafel »Philosophen II«. Vgl. Vaihinger, Hartmann, Dühring und Lange (Iserl. 1876); Köber, Das philosophische System E. v. Hartmanns (Bresl. 1884); Schneidewin, Lichtstrahlen aus Hartmanns Werken (Berl. 1880) und Offener Brief an E. v. H. zum 50. Geburtstag des Philosophen (Leipz. 1892); Drews, E. v. Hartmanns philosophisches System im Grundriß (Heidelb. 1902). – Auch Hartmanns erste Gattin, Agnes, geborne Taubert, ist unter dem Namen A. Taubert mit der Schrift »Der Pessimismus und seine Gegner« (Berl. 1873) als Schriftstellerin aufgetreten, seine zweite, Alma, geborne Lorenz, mit der Schrift: »Zurück zum Idealismus« (das. 1902).

5) Helene, geborne Schneeberger, Schauspielerin, geb. 14. Sept. 1845 in Mannheim, gest. 12. März 1898 in Wien, betrat in Mannheim 1860 die Bühne und gehörte dem Nationaltheater ihrer Vaterstadt als jugendliche Liebhaberin bis 1864 an, wo sie Mitglied des Hamburger Thaliatheaters wurde. Eine Naive ersten Ranges, erweckte sie Laubes Aufmerksamkeit, der sie 1865 zu einem Gastspiel am Hofburgtheater in Wien einlud und 1867 engagierte. Seit 1868 Gattin des Hofschauspielers und Regisseurs Ernst H. (geb. 8. Jan. 1844), erhielt sie 1870 die Ernennung zur wirklichen Hofschauspielerin. Frau H. spielte mit vollendeter Naturwahrheit und besaß, wie Laube ihr nachrühmte, die gewinnende Natürlichkeit eines unbefangenen fröhlichen Wesens, das echt empfindet und diese Empfindung einfach ausdrückt. Davon legten besonders Zeugnis ab ihre Lorle (»Dorf und Stadt«), Louis (»Pariser Taugenichts«), Grille, Hermance (»Kind des Glücks«), Helene (»Vornehme Ehe«), DörteHans Lange«) u. a. Ihr Gatte spielte anfangs jugendliche Rollen im klassischen Schauspiel (Clavigo, Prinz in »Emilia Galotti«) und zeichnete sich später durch seinen frischen Humor besonders im Fach der sogen. Naturburschen aus.

6) Georg, Afrikareisender, geb. 4. Aug. 1865 in Dresden, besuchte daselbst die Technische Hochschule, studierte in Leipzig Mathematik, Physik und Geographie, war von 1889–99 aktiver Offizier und unternahm 1893–1901 im Dienst der South West Africa Company und der Otavi-Gesellschaft Reisen in Deutsch-Südwestafrika, auf denen er 1893 durch Groß-Namaland nach der Kapkolonie zog, 1894 und 1895–96 das Kaokofeld und die Küste von Kap Croß bis Kap Frio erforschte, 1898 die Sandfeldbuschmänner der Kalahari besuchte, 1899 auf der dritten Kaokofeldexpedition die Küste zwischen Kap Frio und der Kunenemündung untersuchte und 1901 durch das Amboland bis nach Mossamedes vordrang. Er veröffentlichte die Broschüren: »Deutsch-Südwestafrika im Zusammenhang mit Südafrika« (Berl. 1899); »Der Krieg in Südafrika und seine Lehren für Deutsch-Südwestafrika« (das. 1900); »Die Zukunft Deutsch-Südwestafrikas« (das. 1904) und als Hauptwerk die grundlegende »Karte des nördlichen Teiles von Deutsch-Südwestafrika im Maßstab 1 : 300,000« (Hamb. 1904).

[Generale.] 7) Jakob, Freiherr von, bayr. General, geb. 4. Febr. 1795 als Sohn eines Hufschmiedes zu Maikammer in der bayrischen Pfalz, gest. 23. Febr. 1873 in Würzburg, im Militärinstitut von Bonn und später zu St.-Cyr erzogen, trat 1811 als Oberleutnant in das 1. Regiment des Großherzogtums Berg, kam nach Entwaffnung der Rheinbundstruppen in ein französisches (das 27.) Linienregiment, zeichnete sich 1814 aus und rettete in der Schlacht bei Belle-Alliance den Adler seines Regiments, wofür er Ritter der Ehrenlegion wurde. 1815 den französischen Dienst verlassend, trat er 1816 in das bayrische 10. Infanterieregiment, ward 1818 in das topographische Bureau kommandiert, unternahm 1820 zum Studium militärischer Bildungsanstalten eine Reise durch die Schweiz, Rheinpreußen, Frankreich und Oberitalien, kam 1822 zum Pionierkorps, 1824 zum Generalstab, 1827 aber als Hauptmann in das Kriegsministerium,[843] wurde 1838 Major, 1842 Adjutant des Kronprinzen Maximilian, 1848 königlicher Flügeladjutant und 1849 Brigadekommandeur. 1854 studierte H. auf einer Reise nach Frankreich die Einrichtungen der Armee sowie das Fortifikationssystem von Paris und der Ostgrenze, ward 1861 Generalleutnant und Kommandeur der 4. Infanteriedivision und lieferte 4. Juli 1866 an deren Spitze das ehrenvolle Gefecht bei Roßdorf gegen die preußische Brigade Wrangel. Am 10. Juli, während des Gefechts bei Kissingen, erhielt er den Befehl zum Vorrücken zu spät, um noch eingreifen zu können, siegte aber 26. Juli mit seiner Divisionskavallerie im Gefecht bei den Hettstädter Höfen über die preußische Reiterei. Seit 1869 General der Infanterie und Kommandeur des 2. bayrischen Korps, führte er dasselbe im Kriege 1870/71, erstürmte 4. Aug. Weißenburg, focht bei Wörth auf dem rechten Flügel und drang zu gleicher Zeit mit dem 5. und 11. Korps in Fröschweiler ein. Bei Sedan nahm eine seiner Divisionen das Dorf Balan, die andre drang bis Klein-Torcy am Fuße des Glacis vor; 19. Sept. vertrieb H. die Franzosen unter Ducrot vom Plateau von Châtillon, die »Bayernschanze« genannt, das die Südfront von Paris beherrscht, und behauptete es bis zum Waffenstillstand.

8) Julius von, preuß. General, geb. 2. März 1817 in Hannover, gest. 30. April 1878 in Baden-Baden, Sohn des hannoverschen Generals der Artillerie Georg Julius von H. (geb. 1774, gest. 1856), der unter Wellington in Spanien und bei Waterloo focht und in Hannover eine der populärsten Persönlichkeiten war (vgl. die von seinem Sohn herausgegebenen Memoiren: »Der königlich hannoversche General Sir Julius v. H.«, Hannov. 1858, 2. Aufl. 1900), trat 1834 in das 10. preußische Husarenregiment, ward 1835 Leutnant, besuchte 1839–42 die Kriegsschule in Berlin, kam zum topographischen Bureau und 1848 zum Generalstab. Er nahm am Feldzug in Baden im Stab der 4. Division des 1. Armeekorps teil, ward Ende 1850 Generalstabsoffizier bei dem um Kreuznach konzentrierten Korps, bald darauf Generalstabsoffizier Wrangels und trat 1852 wieder in die Truppe ein. 1857 ward er als Chef der Abteilung für Armeeangelegenheiten ins Kriegsministerium berufen und bearbeitete die Pläne für die Reorganisation der Armee, die er auch als Regierungskommissar im Landtag vertrat. 1860 ward er Generalstabschef des 6. Armeekorps, dann Oberst und 1863 Kommandeur der 9. Kavalleriebrigade, als welcher er während des polnischen Aufstandes im Winter 1863/64 ein Kommando an der Grenze befehligte, 1865 Generalmajor und erster Kommandant von Koblenz. 1866 kommandierte er eine Kavalleriedivision, ging Anfang 1867 als preußischer Militärbevollmächtigter nach München, erhielt Anfang 1868 das Kommando der 2. Infanteriedivision in Danzig und ward bei Beginn des deutsch-französischen Krieges Kommandeur der der ersten Armee zugeteilten 1. Kavalleriedivision. H. kämpfte in den Schlachten von Colombey-Nouilly und Gravelotte, erhielt Anfang Oktober das Kommando vor Diedenhofen und zog dann mit der Armee des Prinzen Friedrich Karl an die Loire. Am 6. Jan. 1871 mit dem Kommando über ein größeres, aus allen drei Waffen gemischtes Detachement betraut, siegte er 7. und 8. Jan. bei St.-Amand und Château-Renault und besetzte am 19. Tours. Ende Mai 1871 Gouverneur von Straßburg und General der Kavallerie geworden, nahm er im Mai 1875 seinen Abschied. Er schrieb: »Der deutsch-französische Krieg«, »Militärische Notwendigkeit und Humanität«, »Der russisch-türkische Krieg« (in der »Deutschen Rundschau«, dann selbständig erschienen als: »Kritische Versuche«, Berl. 1876–78, 3 Hefte); »Die allgemeine Wehrpflicht« (Heilbr. 1876) u. a. Nach seinem Tod erschienen noch »Lebenserinnerungen, Briefe und Aufsätze« (Berl. 1882) und »Briefe aus dem Feldzuge 1866 an die Gattin gerichtet« (das. 1898).

9) Julius, preuß. General, geb. 19. Mai 1821 in Hannover, gest. daselbst 13. Juni 1892, seit 1839 Leutnant in der hannoverschen Artillerie, besuchte 1842 bis 1843 die Kriegsakademie in Berlin, ward 1849 Lehrer an der Militärakademie und 1859 an der Generalstabsakademie in Hannover, trat 1867 als Major im 11. Feldartillerieregiment in die preußische Armee über, ward 1868 Mitglied der Artillerieprüfungskommission, war im Kriege 1870/71 Oberstleutnant beim Oberkommando der dritten Armee, ward 1871 Oberst und Kommandeur des 4. Fußartillerieregiments, 1874 der 2. Fußartilleriebrigade und 1879 Mitglied der Prüfungskommission für Artillerieoffiziere; 1881 erhielt er als Generalleutnant den erbetenen Abschied. Er schrieb die (in Romanform gekleideten) »Erinnerungen eines deutschen Offiziers« über die hannoversche Zeit vor 1866 (Wiesbad. 1885, 3. Aufl. 1890) und »Erlebtes aus dem Kriege 1870/71« (2. Aufl., das. 1885).

[Dichter und Schriftsteller.] 10) Geistlicher Dichter des 12. Jahrh., der sich mit Rücksicht auf seine Sündhaftigkeit »den Armen« nennt, verfaßte eine gereimte »Rede vom Glauben«, eine erweiternde Paraphrase des nicänischen Glaubensbekenntnisses. In den rein didaktischen Teil hat er Legenden, wie die von Theophilus, eingeflochten, die er als Belege seiner Mahnungen zur Buße benutzte. Seiner Sprache nach war er im westlichen Mitteldeutschland zu Hause. Eine Ausgabe lieferte F. v. d. Leyen in den »Germanistischen Abhandlungen«, Heft 14 (Bresl. 1897).

11) Alfred, schweizer. Schriftsteller, geb. 1. Jan. 1814 auf Schloß Thunstetten bei Langenthal im Kanton Bern, gest. 9. Dez. 1897 in Solothurn, studierte von 1831 an in München, Heidelberg und Berlin die Rechtswissenschaft, widmete sich aber nach einem längern Aufenthalt in Paris der Literatur. 1836 nahm er seinen bleibenden Wohnsitz in Solothurn, trat hier in rege Verbindung mit dem Maler Disteli, dessen Leben er beschrieb (Solothurn 1861), und gab 1845–1875 das Witzblatt »Der Postheiri« heraus. Am bekanntesten ist H. geworden durch seinen »helvetischen« Roman »Meister Putsch und seine Gesellen« (Solothurn 1858, 2 Bde.), wie er sich denn überhaupt neben dem biographischen Gebiet (»Galerie berühmter Schweizer«, mit Hasler, Baden 1863–71, 2 Bde.; »Die Denkwürdigkeiten des Kanzlers Hory«, Berl 1876, u. a.) mit vielem Glück auf dem des Romans und der Novelle bewegte. Wir nennen noch: »Kiltabendgeschichten« (Solothurn 1853–55, 2 Bde.); »Junker und Bürger, oder die letzten Tage der alten Eidgenossenschaft« (das. 1865, 2 Bde.); »Schweizernovellen« (Berl. 1877); »Neue Schweizernovellen« (das. 1879); »Fortunat« (das. 1879, 3 Bde.); »Der gerechte Branntweinbrenner«, Volksroman (Bern 1881); »Auf Schweizer Erde«, Novellen (das. 1883–84, 3 Bde.), die Schauspiele »Ein Pamphlet vor hundert Jahren« (1870) und »Die Limmatschäfer« (2. Aufl., Grüningen 1898). Vgl. W. v. Arx, Alfred H. (Soloth. 1902).

12) Moritz, Dichter, geb. 15. Okt. 1821 zu Duschnik in Böhmen, gest. 13. Mai 1872 in Wien, studierte in Prag und Wien, bereiste 1842 Italien, die Schweiz und Süddeutschland, übernahm eine Erzieherstelle in [844] Wien, verließ aber 1844 Österreich, um seine schwungvollen Tendenzgedichte: »Kelch und Schwert« (Leipz. 1845; 3. Aufl., Darmst. 1851), herausgeben zu können. Nach deren Erscheinen hielt sich H. eine Zeitlang in Brüssel auf, kehrte dann nach Deutschland zurück, veröffentlichte seine »Neuern Gedichte« (Leipz. 1847) und wagte sich sogar in die Heimat. Hier in Kriminaluntersuchung genommen, wurde er durch die Märzereignisse 1848 befreit, trat in Prag an die Spitze der deutschen Partei und wurde von dem böhmischen Wahlbezirk Leitmeritz ins deutsche Parlament gewählt. Damals erschien seine »Reimchronik des Pfaffen Mauritius« (Frankf. 1849, 5 Hefte; neue Ausg., Stuttg. 1874), im heinesierenden Chronikenstil gehaltene satirische Fresken aus der Paulskirche. Mit Blum und Fröbel begab er sich im Oktober 1848 nach Wien, das er aber noch vor der verhängnisvollen Katastrophe verließ, und siedelte später mit dem Rumpfparlament nach Stuttgart über. Als Flüchtling ging er in die Schweiz, später nach England und Irland, im Herbst 1850 nach Paris. Von hier aus sandte er längere Zeit der »Kölnischen Zeitung« geistvolle Berichte, so wie er während seines Aufenthalts in Irland interessante »Briefe aus Irland« in das Prutzsche »Museum« geliefert hatte. Während des russisch-türkischen Krieges befand er sich als Korrespondent der »Kölnischen Zeitung« auf dem Kriegsschauplatz, mußte dann aber aus Gesundheitsrücksichten die Krim verlassen. Aus Konstantinopel im Oktober 1854 ausgewiesen, begab er sich wieder nach Frankreich und ließ sich 1860 in Genf nieder, wo er an verschiedenen höhern Bildungsanstalten in der deutschen Sprache und Literatur unterrichtete. 1863 siedelte er von Genf nach Stuttgart, 1868 nach Wien über. Seinem auf böhmischem Lokalgrund mit epischem Behagen ausgeführten Roman »Der Krieg um den Wald« (Frankf. 1850, neue Ausg. 1866) folgten das idyllische Epos »Adam und Eva« (Leipz. 1851; neue Ausg., Stuttg. 1874), das lebensvoll und reich an höchst anmutigen Partien ist; »Schatten« (Darmst. 1851), poetische Erzählungen; das farbenreiche »Tagebuch aus Languedoc und Provence« (das. 1852, 2 Bde.; neue Ausg., Stuttg. 1874); »Erzählungen eines Unsteten« (Berl. 1858, 2 Bde.), worin er die Erzählung seiner Fahrten und Abenteuer anziehend mit novellistischen Erfindungen verband; eine neue Gedichtsammlung: »Zeitlosen« (Braunschw. 1858); die reizende Novelle »Von Frühling zu Frühling« (Berl. 1860); die »Erzählungen meiner Freunde« (Frankf. 1860) und ein nicht eben bedeutendes Lustspiel: »Buridans Esel«. Mit L. Pfau übertrug er »Bretonische Volkslieder« (Köln 1859) und schuf einen Operntext: »Die Katakomben«, den F. Hiller komponierte. Außerdem veröffentlichte H. zahlreiche Novellen, die in den »Novellen« (Hamb. 1863, 3 Bde.) und der Sammlung »Nach der Natur« (Stuttg. 1866, 3 Bde.) vereinigt wurden, aber ebenso wie »Die letzten Tage eines Königs« (das. 1866, 2. Aufl. 1867) u. a. eine Abnahme der geistigen Frische verrieten. Seine »Gesammelten Schriften« erschienen zu Stuttgart 1873–74 in 10 Bänden, die Gedichte in »neuer Auswahl«. das. 1874. Vgl. Brandes, Das junge Deutschland (4. Aufl., Charlottenb. 1899).

[Musiker.] 13) Johann Peter Emilius, dän. Komponist, geb. 14. Mai 1805 in Kopenhagen, gest. daselbst 10. März 1900, erhielt den ersten Musikunterricht von seinem Vater, einem Organisten deutscher Abstammung, seine weitere Ausbildung durch Weyse (s. d.), widmete sich aber zunächst dem Studium der Rechte und trat in den Staatsdienst. Erst mit ca. 30 Jahren wandte er sich ganz der Musik zu, trat als Opernkomponist mit Erfolg auf (»Ravnen«, 1832; »Korsarerne«, 1835) und wurde nach einer längern Studienreise in Deutschland 1840 Direktor des Konservatoriums zu Kopenhagen. Erst nach Gades (seines Schwiegersohnes) Vorgang wandte H. dem nationalen Elemente besondere Aufmerksamkeit zu und wurde so spezieller Vertreter von dessen mehr herben, finstern Seiten, so in einigen seiner Ballette (»Die Walküre«, »Eine Volkssage«, »Das Lied an Thrymar«), besonders aber in dem Chorwerk »Die Wahrsagung der Wölwa« (1872), auch in den Musiken zu Öhlenschlägers »Olaf der Heilige« und Heibergs »Siebenschläfertag«, der Oper »Liden Kirsten« und der Trauermusik für Thorwaldsen. Zum erstenmal schlug er nordische Töne an in dem Melodrama »Die goldenen Hörner« (1832). 1879 ernannte ihn die Universität Kopenhagen zum Ehrendoktor. Vgl. W. Behrens, Johann Peter Emilius H. (Kopenh. 1895).

14) Emil, dän. Komponist, Sohn des vorigen, geb. 21. Febr. 1836 in Kopenhagen, gest. daselbst 18. Juli 1898, erhielt seine Ausbildung durch seinen Vater und seinen Schwager Niels W. Gade, bezog dann behufs wissenschaftlicher Studien die Universität, wendete sich jedoch nach Absolvierung derselben ganz der Musik zu, bekleidete zeitweilig Organistenstellen und wurde 1891 Gades Nachfolger als Dirigent des Kopenhagener Musikvereins. H. brachte bereits 1855 ein Ballett: »Fjeldstuen«, weiterhin zwei Opern (»Die Erlenmädchen«, 1867; »Die Korsikaner«, 1873) mit Erfolg am königlichen Hoftheater zur Ausführung; eine dritte Oper »Runenzauber« folgte 1896 in Dresden. H. zählt wie sein Vater zu den nationalen nordischen Komponisten, hat aber trotz wiederholter Veranstaltung von Konzerten mit seinen Werken in Deutschland stärkere Eindrücke nicht hervorgebracht. Von seinen zahlreichen Werken seien genannt: »Nordische Volkstänze für Orchester«, die Ouvertüre »Eine nordische Heerfahrt«, »Skandinavische Volksmusik« (Orchestersuite), »Lieder und Weisen im nordischen Volkston«, ein Konzert für Violoncello, eins für Violine, das Chorstück »Winter und Lenz«, Serenaden für Blasinstrumente und Kontrabaß, für Streichinstrumente und Klarinette und für Klavier, Cello und Klarinette, drei Symphonien (Es dur, A moll [»Aus der Ritterzeit«] und D dur), eine Tanzsuite, »Karnevalsfest« für Orchester etc.

15) Ludwig, Komponist und Musikkritiker, geb. 1836 in Neuß als Sohn des dortigen Musikdirektors Friedrich H., bildete sich am Konservatorium zu Leipzig, war später Schüler von Liszt und lebt seit 1859 in Dresden, die neuere Richtung in der Musik auch als Schriftsteller vertretend. Von Hartmanns Kompositionen haben besonders seine Lieder und Balladen weite Verbreitung gefunden.

16) Fr., s. Hart. – 17) K. J., s. Hartm. – 18) J. D. W., s. Hart.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 842-845.
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Diese Ausgabe fasst die vier lyrischen Sammelausgaben zu Lebzeiten, »Gedichte« (1841), »Neue Gedichte« (1850), »Lyrisches und Episches« (1855) und »Neueste Gedichte« (1870) zusammen. »Letzte Gedichte« (1895) aus dem Nachlaß vervollständigen diese Sammlung.

278 Seiten, 13.80 Euro

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Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

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