Eduard [1]

[381] Eduard (engl. Edward, angelsächs. Eádwëard, »Vermögenswart oder -Wächter«, vgl. Ed-), Name mehrerer Könige u. Prinzen von England: 1) E. der ältere, Sohn Alfreds d. Gr., folgte diesem 901 auf dem Thron, den er gegen die Ansprüche seines Vetters Ethelwald (gest. 905) behauptete, kämpfte wiederholt und glücklich gegen die Normannen, vereinigte 919 das alte Königreich Mercia unmittelbar mit seinem Reich und zwang Wales und Northumberland zur Anerkennung seiner Oberherrschaft. Er starb 924.

2) E. der Märtyrer, Sohn König Edgars, geb. um 963, folgte seinem Vater 975 auf dem Thron, wurde aber schon 18. März 978 von den Anhängern seines Stiefbruders Ethelred ermordet.

3) E. der Bekenner, Sohn Ethelreds des Unberatenen, der letzte angelsächsische König von England, geb. nach 1002, gest. 5. Jan. 1066, wurde 1042 nach dem Tode des Dänen Harthaknut auf den Thron erhoben. Seine Begünstigung des normännischen Wesens (er war in der Normandie erzogen) rief einen Aufstand unter dem Grafen Godwin hervor. E., den Frömmigkeit und Herzensgüte auszeichneten, war ein schwacher Regent, unter dem die Kraft des Volkes erlahmte. Daß er Wilhelm von der Normandie zum Erben eingesetzt habe, ist nicht sicher erwiesen. 1161 wurde er heilig gesprochen.

4) E. I., geb. 17. Juni 1239, gest. 7. Juli 1307, Sohn Heinrichs III., stellte noch bei dessen Lebzeiten durch den Sieg bei Evesham über Simon von Montfort 1265 die Macht des Königtums wieder her und unternahm 1270 eine Kreuzfahrt, von der er im August 1274 zurückkehrte, nachdem während seiner Abwesenheit sein Vater 16. Nov. 1272 gestorben war. Mit großer Energie stellte er im Innern Ruhe und Ordnung her, beschränkte die Macht des Klerus und verfolgte nach außen eine konsequente Eroberungspolitik. 1276–83 unterwarf er Wales und benutzte die in Schottland nach dem Tode des Königs Alexander III. 1286 entstandenen Wirren, um seine Macht dort geltend zu machen. Den Kronprätendenten John Baliol unterstützte er gegen Robert Bruce, wogegen dieser 1292 die Oberlehnsherrlichkeit der Krone von England über Schottland anerkannte. Als Baliol sich 1296 im Bunde mit Frankreich gegen E. erhob, schlug dieser ihn bei Dunbar, setzte ihn ab und ließ nun Schottland durch Statthalter regieren. Die von den Schotten unter Wallace und dem jüngern Robert Bruce immer wieder versuchten Empörungen schlug er tatkräftig und grausam nieder. Mit seinem Parlament, zu dem er regelmäßig seit 1295 auch Abgeordnete der Städte und Flecken sowie der Grafschaften berief, stand E. in gutem Einvernehmen und erkannte 1297 das Steuerbewilligungsrecht des Parlaments an. Als Gesetzgeber hat er sich um Handel und Münzwesen, den Schutz des Eigentums und des Landfriedens verdient gemacht. Vgl. Seeley, Life and reign of Edward I. (Lond. 1872); Tout, Edward the first (das. 1893); Jenks, Edward I., the English Justinian (das. 1902); Morris, Welsh wars of Edward I. (das. 1901 ff.).

5) E. II., Sohn und Nachfolger des vorigen, geb. 25. April 1284 in Carnarvon, der erste englische Kronprinz, der den Titel eines Prinzen von Wales führte, hatte weder die Energie noch die Charakterstärke seines Vaters geerbt und vermochte weder im Innern die aufrührerischen Großen niederzuhalten, noch dessen auswärtige Erwerbungen zu behaupten. Von Robert Bruce wurde er 24. Juni 1314 bei Bannockburn geschlagen und mußte 1323 einen Frieden auf 13 Jahre schließen, der die Unabhängigkeit Schottlands sicherte. Seine Begünstigung unwürdiger Günstlinge, erst Gavestons, dann der Despencer, brachte ihn in vielfache Konflikte; 1325 erhob sich seine Gemahlin Isabella, die er zu Verhandlungen mit ihrem Bruder Karl IV. nach Frankreich gesandt hatte, gegen ihn, verband sich mit Eduards Bruder, Edmund, Grafen von Kent, mit Roger Mortimer, Grafen von March, der für ihren Liebhaber galt, und einer Anzahl unzufriedener Großen und landete im September 1326 in England. Der König wurde gefangen, im Januar 1327 durch Parlamentsbeschluß abgesetzt und 21. Sept. d. J. in Berkeley Castle ermordet.

6) E. III., Sohn und Nachfolger des vorigen, geb. 13. Nov. 1312, gest. 21. Juni 1377, bestieg 1327 den Thron und befreite sich 1330 von dem Zwang, unter[381] dem ihn seine Mutter und ihr Günstling Mortimer hielten, durch Mortimers Hinrichtung und Isabellas Verweisung vom Hofe. Schottland nötigte er durch den Sieg bei Halidon Hill (1333), die Oberhoheit Englands anzuerkennen, und nachdem 1328 die direkte Linie der Kapetinger ausgestorben war, erhob er als Enkel Philipps des Schönen Ansprüche auf die französische Krone. 1340 nahm er den französischen Königstitel an und kämpfte in der Seeschlacht von Sluys (1340), dann in der Landschlacht bei Crécy (1346), der die Einnahme von Calais folgte (1347), zuletzt bei Poitiers (19. Sept. 1356), wo sein Sohn, der Schwarze Prinz (s. E. 10), kommandierte, so glücklich gegen Philipp VI. von Valois, daß dieser ihm im Frieden zu Bretigny (8. Mai 1360) gegen seinen Verzicht auf die Krone einen großen Teil des westlichen Frankreich, Gascogne, Guienne, Poitou und die Grafschaft Ponthieu sowie Calais, mit allen Souveränitätsrechten abtrat. Für die Dauer aber vermochte er diese Erwerbungen nicht zu behaupten, und als Karl V. von Frankreich 1369 den Krieg erneuerte, verlor E. in fünf Jahren bis auf wenige feste Plätze alle seine Eroberungen. Infolge der vielen Kriege Eduards und der dafür erforderlichen Geldbewilligungen steigerte sich der Einfluß des Parlaments unter seiner Regierung bedeutend. Im Einvernehmen mit diesem wehrte sich E. gegen päpstliche Übergriffe und schützte den Reformator John Wiclif vor dem geistlichen Gericht. Von ihm wurde 1349 der Hosenbandorden gestiftet. Vgl. Longman, History of the life and times of Edward III. (Lond. 1869, 2 Bde.); Pauli, Bilder aus Altengland (Gotha 1860); Warburton, Edward III. (Lond. 1875); Mackinnon, History of Edward III. (das. 1900); Liebau, König E. III. und die Gräfin von Salisbury (Berl. 1900).

7) E. IV., Sohn des Herzogs Richard von York, Graf von March, geb. 28. April 1412 in Rouen, gest. 9. April 1483, wurde nach dem Fall seines Vaters bei Wakefield (1460) an Stelle Heinrichs VI. zum König ausgerufen und befestigte seine Krone durch den Sieg bei Towton (1461), wodurch die Regierung vom Haus Lancaster (rote Rose) an das Haus York (weiße Rose) kam, aber auch ein langer, blutiger Bürgerkrieg zwischen beiden Häusern hervorgerufen ward. Durch seine Heirat mit Elisabeth Wydewille und die Begünstigung ihrer Verwandten rief er eine Empörung des Grafen von Warwick hervor, dem sich nebst andern Großen der jüngere Bruder des Königs, Georg von Clarence, anschloß. E. mußte im Oktober 1470 nach Holland fliehen, und Heinrich VI. wurde aus dem Tower wieder auf den Thron erhoben. Schon im März 1471 kehrte indes E., von seinem Schwager, Karl dem Kühnen von Burgund, unterstützt, nach England zurück, versöhnte sich mit seinem Bruder und schlug Warwick 14. April bei Barnet; Heinrich VI. wurde wieder gefangen genommen. Auch ein französisches Hilfsheer, mit dem Margareta, Heinrichs VI. Gemahlin, und ihr Sohn, Prinz Eduard, in England erschienen, wurde 4. Mai 1471 bei Tewkesbury geschlagen; Margareta wurde gefangen, ihr Sohn niedergehauen und Heinrich VI. 22. Mai 1471 im Tower ermordet. Nachdem sich E. so den Thron gesichert hatte, verband er sich mit dem Herzog von Burgund gegen Frankreich und landete 1475 bei Calais, bewilligte aber Ludwig XI. den Frieden und die Auslieferung Margaretas gegen große Geldzahlungen. Mit Clarence entzweite der König sich später abermals und ließ ihn 1478 im Tower ermorden. Im Innern stützte sich E. auf Ritterschaft und Städte und schritt gegen die geistlichen und weltlichen Lords ein. Eine kluge und strenge Finanzwirtschaft machte ihn zu einem der reichsten Fürsten seiner Zeit. Er hinterließ aus seiner Ehe mit Elisabeth fünf Töchter und zwei Söhne, Eduard V. und Richard, im Alter von 10 und 12 Jahren, die beide ihr Oheim, der Herzog von Gloucester, nachdem er als Richard III. 26. Juni 1483 die Krone usurpiert hatte, im Tower ermorden ließ.

8) E. VI., geb. 12. Okt. 1537, Sohn Heinrichs VIII. und der Johanna Seymour, gest. 6. Juli 1553, bestieg 1547 den Thron unter der Vormundschaft seines Oheims Edmund Seymour, Herzogs von Somerset. Der jugendliche Fürst war dem Protestantismus aufrichtig ergeben und verfaßte eine französische Abhandlung gegen die päpstliche Suprematie (hrsg. von Potts, Cambr. 1874). Seine Regierungszeit ist erfüllt durch das Bestreben, England zur protestantischen Kirche überzuführen. Ebenso suchte Somerset, freilich erfolglos, die Verbindung mit Schottland durchzusetzen. Somerset wurde 1549 gestürzt und 1552 hingerichtet. Nach ihm leitete der Herzog von Northumberland den König und beredete ihn, die Thronfolgeordnung zu gunsten der Johanna Grey zu ändern. E. starb an der Schwindsucht, ehe sein Charakter vollständig entwickelt war. Sein Testament wurde durch seine Schwester Maria umgestoßen. Vgl. »Literary remains of King Edward the sixth« (hrsg. von Nichols, Lond. 1857, 2 Bde.).

9) E. VII., König von Großbritannien und Irland, Kaiser von Indien, geb. 9. Nov. 1841 in London, ältester Sohn des Prinzen Albert und der Königin Viktoria von Großbritannien und Irland, wurde sorgfältig erzogen, besuchte die Universitäten Oxford und Cambridge, machte 1860 eine Reise nach Amerika, 1862 nach dem Orient und vermählte sich 10. März 1863 mit der Prinzessin Alexandra von Dänemark (geb. 1. Dez. 1844), Tochter des Königs Christian IX., die ihm sechs Kinder (drei Prinzen und drei Prinzessinnen) gebar, von denen der dritte Sohn am Tage nach seiner Geburt (7. April 1871), der älteste, Herzog von Clarence, 14. Jan. 1892 starb; die älteste Tochter ist an den Herzog von Fife, die dritte an den Prinzen Karl von Dänemark verheiratet. Er trat 1863 als Oberst in die Armee, in der er bis zum Feldmarschall avancierte, ohne indes einen mehr als vorübergehenden Anteil an den Heeresangelegenheiten zu nehmen. Im preußischen Heer erhielt er 1883 den Rang eines Generalfeldmarschalls und ist Chef der Blücherschen Husaren. 1875–76 machte er eine Reise nach Indien, wo er mit großer Begeisterung empfangen wurde. Am 18. April 1900 wurde in Brüssel ein Attentat gegen ihn unternommen, bei dem er jedoch unverletzt blieb. Am 22. Jan. 1901 folgte er seiner Mutter auf dem Thron und beschwor am folgenden Tage die Verfassung des Reiches. Am 9. Aug. 1902 wurde er zum Könige gekrönt. Vgl. Burdett, Prince, Princess and people (Lond. 1889); »Speeches and adresses of H. R. H. the Prince of Wales 1863–1888« (das. 1889); Escott, King Edward and his court (das. 1903); Bodley, The coronation of Edward the 'eventh (das. 1903).

10) Prinz von Wales, nach der Farbe seiner Rüstung der Schwarze Prinz genannt, Sohn Eduards III. von England, geb. 15. Juni 1330, gest. 8. Juni 1376, zeichnete sich schon 1346 m der Schlacht bei Crecy aus, machte 1355, von seinem Vater zum Statthalter von Aquitanien eingesetzt, einen verheerenden Einfall ins südliche Frankreich und schlug 19. Sept. 1356 bei Poitiers den französischen König [382] Johann, der in Gefangenschaft geriet. Nach dem Frieden mit Frankreich erhob ihn sein Vater 1362 zum Fürsten von Aquitanien und Gascogne, wo E. zu Bordeaux glänzend Hof hielt. 1366 mischte er sich in die innern Wirren Spaniens und führte den vertriebenen König Peter den Grausamen von Kastilien durch den Sieg bei Navarrete (3. April 1367) auf seinen Thron zurück, geriet aber, da Peter ihm die Kriegskosten nicht erstattete, in Konflikt mit dem Adel seines Landes, dem er eine drückende Abgabe auferlegte, und mit König Karl V. von Frankreich, der ihn vor den Pairshof nach Paris lud. Der Krieg begann 1369; E. eroberte 1370 die abgefallene Stadt Limoges, wo er 3000 Einw. niedermetzeln ließ, kehrte aber dann, schon lange von schleichender Krankheit ergriffen und über den Tod seines ältesten Sohnes, Eduard, tief betrübt, nach England zurück und starb in Canterbury. Sein jüngerer Sohn bestieg 1377 unter dem Namen Richard II. den englischen Thron. Vgl. James, Life of Edward the Black Prince (Lond. 1839); Le Poittevin de la Croix, Histoire des expéditions d'Edouard III et du Prince Noir (Brüssel 1854).

11) Karl E., genannt der Prätendent, s. Karl (Großbritannien).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 381-383.
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