Gascogne

[361] Gascogne (spr. -konnj', Vasconia), ehemalige Provinz im südwestlichen Frankreich, hat ihren Namen von den Basken (Vaskonen), die, in der Mitte des 6. Jahrh. von den Westgoten aus ihren Wohnsitzen am südlichen Abhang der Pyrenäen verdrängt, sich in dem frühern römischen Distrikt Novempopulania zwischen der Garonne, dem Atlantischen Ozean und den Westpyrenäen niederließen. Sie umfaßte somit[361] die heutigen Departements Landes, Gers und Oberpyrenäen sowie den südlichen Teil von Obergaronne, Tarn-et-Garonne und Lot-et-Garonne und zerfiel in eine Menge kleinerer Landschaften, als: Comminges, Nébouzan, Couserans, Bigorre, Armagnac, Astarac, Lomagne, Condomois, Chalosse, Landes, Soule, Quatre-Vallées und Labourd. Das Gesamtareal des Landes beträgt 26,520 qkm (482 QM.; vgl. die einzelnen Departements). Die Bewohner der G. (Gascogner), etwa 1 Mill. zählend, haben ihre Eigenart sowohl in ihrer äußern Erscheinung als auch in Sprache und Sitten und ihren gutmütigen Charakter bis heute bewahrt. Der Gascogner ist klein und mager, aber nervig, hat seine Züge, heißes Blut und eine lebhafte Einbildungskraft. Er besitzt Ehrgeiz, Geistesschärfe und Unternehmungsgeist, ist aber aufbrausend, eitel und sehr zur Übertreibung geneigt; daher das Wort Gaskonade als Bezeichnung für eine harmlose Aufschneiderei. Die Bewohner des Landes sind noch sehr unwissend und ungebildet, aber gut und ehrlich. – Die G., das alte Gallovasconia, bildete das ursprüngliche, meist von Iberern (Vaskonen) bewohnte Aquitanien, nach dessen Erweiterung durch Augustus (27 v. Chr.) die Provinz Vasconia (woraus G. entstand) und nach der Neuorganisation durch Diokletian (um 300) die Provinz Novempopulana. Nach dem Sturz des Römerreichs gehörte G. zum Westgotenreich und wurde 602 von den Franken erobert, die es mit dem Herzogtum Aquitanien vereinigten. Karl d. Gr. gab der G. eigne Herzoge. Der erste, Welf I. (Lupus), regierte 768–774; sein Enkel Welf II fiel 778 dem von Spanien zurückkehrenden Karl d. Gr. im Tal Roncesvalles in den Rücken und brachte seinem Nachtrab eine Niederlage bei, geriet aber in des Kaisers Gewalt und wurde aufgehängt. 836 wurden die Gascogner unter absetzbare Herzoge gestellt. 872 rissen sie sich von Frankreich los und wählten Sancho Miterra zu ihrem Herzog. Seit Wilhelm VII., Herzog von Aquitanien (um 1050), gehörte die G. abermals zum Herzogtum Aquitanien oder Guienne, kam durch die Heirat der Erbtochter Wilhelms VIII., Eleonore, mit Heinrich Plantagenet (1152), als dieser 1154 König von England wurde, unter englische Herrschaft und blieb unter ihr, bis sie im Frieden von 1453 den Franzosen abgetreten wurde. Unter den Herzogen bestand das Land aus der ihnen unmittelbar gehörigen Grafschaft G. und den mittelbaren Grafschaften Bigorre, Bordeaux, Agen, Fézenzac, Lectoure. Vgl. die Geschichtskarte von Frankreich; Montezun, Histoire de la G. (Auch 1846–50, 6 Bde.); Cénac-Moncaut, Littérature populaire de la G. (Par. 1868); Bladé, Contes populaires de la G. (das. 1886, 3 Bde.); Jaurgain, La Vasconie; étude historique (Pau 1898, Bd. 1).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 361-362.
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