Koblenz [1]

[207] Koblenz (Coblenz, hierzu der Stadtplan), befestigte Hauptstadt des gleichnamigen Regierungsbezirks der preuß. Rheinprovinz und Stadtkreis, am Zusammenfluß des Rheins und der Mosel, 60 m ü. M., liegt, von Hügeln umgeben, in einer der schönsten und anmutigsten Gegenden des Rheintals.

Wappen von Koblenz.
Wappen von Koblenz.

Die Stadt besteht aus der Alt- und der Neustadt und der Hochstadt. Die Altstadt, eng gebaut, hat nur einige schöne Straßen und Plätze. Die Neu-o der Klemensstadt dagegen hat schöne, breite Straßen und namentlich gegen den Rhein eine imponierende Häuserfront. Als Plätze sind hier der Klemensplatz mit einem fast 20 m hohen Obelisken, dem Theater und der Schloßplatz zu bemerken. Unter den kirchlichen Gebäuden (3 evangelische und 10 kath. Kirchen sowie eine Synagoge) sind erwähnenswert: die Liebfrauenkirche, auf dem höchsten Punkte der Stadt gelegen, mit 58 m hohen, im spätromanischen Stil gehaltenen Türmen; das Schiff wurde 1250, das Chor 1404–31 erbaut; die Kastorkirche, nahe der Moselspitze gelegen, mit 4 Türmen, wurde von Ludwig dem Frommen 836 als Kollegiatkirche gegründet; der gegenwärtige Bau romanischen Stils wurde 1208 vollendet, das Spitzbogengewölbe an Stelle der alten Holzdecke erst 1498 beendet. Im nördlichen Seitenschiff befindet sich das Grabmal von Ritza, einer Tochter (nach andern einer Enkelin) Ludwigs des Frommen. Im Chor stehen die Grabdenkmäler des Trierer Erzbischofs Kuno v. Falkenstein (gest. 1388) und seines Nachfolgers Werner v. Falkenstein (gest. 1418). Die Freskowandgemälde sind von J. Settegast, einem Koblenzer, ausgeführt. Die Kirche war Schauplatz der Länderverteilung zwischen den Söhnen Ludwigs des Frommen (860) sowie verschiedener Kirchenversammlungen. Die Florinskirche ist dem evangelischen Gottesdienst gewidmet; Türme und Langhaus zeigen den romanischen Stil, während das von 1356 herrührende Chor gotischen Charakter trägt; das Innere ist unter Lasaulx' Leitung sehr schön restauriert. Die St. Johann- oder Jesuitenkirche wurde 1617 erbaut; die Karmeliterkirche, mit einem Freskogemälde von Anschütz, ebenfalls einem Koblenzer, ist gegenwärtig katholische Garnisonkirche. Auch die neuerdings erbauten Kirchen (die gotische St. Josephs- und die romanische Herz-Jesukirche, beide katholisch, sowie die neugotische evangelische Christuskirche) sind Bauwerke von hervorragender Bedeutung. Unter den weltlichen Gebäuden verdient das Residenzschloß zuerst genannt zu werden. Von 1778–85 vom letzten Kurfürsten von Trier, Klemens Wenzeslaus, ausgeführt, besteht es aus einem Mittelbau mit dem nach dem Schloßplatz zu gelegenen Portal, vor dem sich acht 13 m hohe und 5,2 m im Umfang haltende Säulen erheben, und zwei Flügeln, die auf der Nord- und Südseite in zwei vorspringenden Pavillons endigen. Schöne Anlagen (Kaiserin Augusta-Anlagen) ziehen sich von hier rheinaufwärts, in ihnen befindet sich das Denkmal des Dichters Max v. Schenkendorf. Ein schönes Denkmal der Kaiserin Augusta, die mit Vorliebe in Koblenz weilte, ziert seit 1896 den Luisenplatz. Hervorragend ist das von der Rheinprovinz dem Kaiser Wilhelm I. errichtete Denkmal am »Deutschen Eck«, am Zusammenfluß von Mosel und Rhein, ein großartiges Reiterstandbild auf gewaltigem Unterbau, nach Plänen von Hundrieser und Schmitz, 1897 enthüllt. Außerdem besitzt die Stadt noch ein Denkmal des Naturforschers Johannes Müller (modelliert von Uphues) auf dem Jesuitenplatz und ein Standbild des Generals v. Goeben (von Schaper modelliert und auf dem Goebenplatz errichtet); ein sinniges Denkmal in weißem Marmar schmückt sein Grab auf dem städtischen Friedhof. In der Nähe der Moselbrücke sind noch zu bemerken die ehemalige kurfürstliche Burg (jetzt städtische Gemäldesammlung) und das Kaufhaus, im 15. Jahrh. erbaut, 1688 zerstört und 1725 wiederhergestellt. Der Bau der 320 m langen Moselbrücke mit 14 Bogen ward 1343 begonnen. Oberhalb dieser Brücke ist die nur für Eisenbahnzwecke erbaute eiserne Gitterbrücke bemerkenswert. Über den Rhein führen außer der Schiffbrücke eine 1862–64 erbaute Eisenbahnbogenfachwerkbrücke, die sogen. Pfaffendorfer Brücke, und südlicher eine neue Eisenbahnbrücke (1879), die sogen. Horchheimer Brücke.

Die Zahl der Einwohner belief sich 1900 mit der Garnison (1 Infanterieregiment Nr. 68, 2 Bataillone Infanterie Nr. 28, 1 Feldartillerieregiment Nr. 23, 1 Pionierbataillon Nr. 8 und 1 Abteilung Train Nr. 8) auf 45,147 Seelen, davon 10,149 Evangelische, 34,267 Katholiken und 632 Juden. Die Industrie beschränkt sich auf Fabrikation von Pianofortes, Kartonnagen, Papierwaren, Schaumwein und Maschinen und Schiffbau. Der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer, eine Reichsbankstelle (Umsatz 1904: 1001,9 Mill.), die Mittelrheinische Bank, eine Filiale der Rheinischen Diskontogesellschaft und andre Geldinstitute sowie durch die Lage an zwei[207] schiffbaren Flüssen, ist besonders bedeutend in Wein, Holz, Berg- und Hüttenprodukten und Kolonialwaren. K. ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Köln-K., K.-Lollar, Perl-K. und Mainz-K. Den Verkehr in der Stadt vermitteln eine elektrische Straßenbahn, die rheinaufwärts bis Kapellen (Stolzenfels) führt. Auf dem Rhein kamen 1903 beladen an: 3001 Schiffe (darunter 2502 Dampfschiffe) mit 55,918 Ton. Ladung, es gingen ab: 2126 beladene Schiffe (darunter 2062 Dampfschiffe) mit 22,732 T. Ladung. Auf der Mosel kamen an: 189 Schiffe (davon 128 Dampfschiffe) mit 1556 T. Ladung; es gingen ab: 131 Schiffe (davon 125 Dampfschiffe) mit 1461 T. Ladung. An Bildungs- und andern öffentlichen Anstalten hat K. ein Gymnasium, Realgymnasium, Theater, Musikinstitut, Schifferschule, evangelisches Waisenhaus, Franziskanerinnenkloster, einen Konvent der Barmherzigen Brüder, Zuchthaus, Korrektionsanstalt etc. K. ist Sitz des Oberpräsidiums der Rheinprovinz, eines Konsistoriums, eines Generalsuperintendenten, eines Provinzial-Schul- und Medizinalkollegiums, einer königlichen Regierung, eines Landratsamts (für den Landkreis K.), einer königlichen Polizeidirektion, eines Landgerichts, Hauptsteueramts, einer Oberpostdirektion, zweier Bergreviere, einer Forstinspektion, einer königlichen und einer städtischen Oberförsterei, ferner des Kommandos des 8. Armeekorps, der 30. Infanterie- und der 8. Gendarmeriebrigade. Die städtischen Behörden zählen 2 Magistratsmitglieder und 30 Stadtverordnete.

Die Neubefestigung von K. und dem gegenüberliegenden Ehrenbreitstein (s. d.) wurde von 1816–28 ausgeführt, 1890 aber bis auf die auf den Höhen liegenden Forts aufgehoben. Vor der jetzt niedergelegten Umwallung liegt der neue Hauptbahnhof, die ehemalige Kartause mit dem Fort Konstantin und auf der dieses beherrschenden Höhe des Hunnenkopfes das starke Fort Alexander mit zwei kleinern detachierten Forts. Jenseit der Mosel auf dem Petersberg erhebt sich das Fort Franz, neben dem drei Montalembertsche Türme stehen. Am Fuß dieses Forts steht das 1796 errichtete, 1863 erneuerte Denkmal des französischen Generals Marceau. – Zum Landgerichtsbezirk K. gehören die 20 Amtsgerichte zu Adenau, Ahrweiler, Andernach, Boppard, Kastellaun, Kirchberg, Kirn, K., Kochem, Kreuznach, Mayen, Meisenheim, Münstermayfeld, St. Goar, Simmern, Sinzig, Sobernheim, Stromberg, Trarbach und Zell.

Geschichte. Unter Drusus ward um 9 v. Chr. in der Gegend von K. ein Kastell angelegt, das von der Vereinigung der Flüsse Mosel und Rhein den Namen Confluentes erhielt, woraus in der Folge Covelenz (Cobelenz) ward. Den fränkischen Königen diente es später bisweilen zum Aufenthalt, und 860 fand hier eine Versöhnung der Söhne Ludwigs des Frommen statt. Kaiser Heinrich II. übergab die Stadt 1018 dem Erzstift Trier, bei dem sie bis zum Ende des 18. Jahrh. verblieben ist. 1138 wurde Konrad III. in St. Kastor zu K. zum König gewählt, und 1146 predigte hier Bernhard von Clairvaux den zweiten Kreuzzug. 1338 fand in K. eine Zusammenkunft zwischen Kaiser Ludwig und Eduard III. von England statt, wobei sie ein Bündnis gegen Frankreich schlossen. Während des Dreißigjährigen Krieges nahm die Stadt 1632 eine kaiserliche Besatzung auf, wurde aber von den Schweden genommen, dann von Franzosen besetzt und 1636 von den Kaiserlichen erstürmt. 1688 belagerten und beschossen die Franzosen unter dem Marschall v. Boufflers die Stadt, vermochten jedoch nur den ältesten Teil derselben zu zerstören. Im Laufe des 18. Jahrh. wurde K. mehrfach erweitert, und noch mehr geschah für die Hebung derselben, als der Kurfürst Klemens Wenzeslaus seine Residenz 1786 von Ehrenbreitstein hierher verlegte. Bald darauf gewann K. an Regsamkeit des Lebens, indem es in seinen Mauern den emigrierten Adel Frankreichs vereinigte. Die nachmaligen Könige Ludwig XVIII. und Karl X. hielten sich am kurfürstlichen Hof und in dem kurfürstlichen Schlosse Schönbornslust auf; von hier erließ der Herzog Karl von Braunschweig 25. Juli 1792 das Koblenzer Manifest (vgl. Koalitionskrieg 1). 1794 wurde K. von den Franzosen unter Marceau besetzt, welche die Befestigungen zerstörten. Es wurde 1798 Hauptstadt des Rhein- und Moseldepartements. Am 1. Jan. 1814 nahmen die Verbündeten die Stadt in Besitz, die im darauf folgenden Jahr unter die Krone Preußens kam, Hauptstadt eines Regierungsbezirks und 1822 Sitz der höchsten Behörden für die Rheinprovinz wurde. Vgl. Günther, Geschichte der Stadt K. (Kohl. 1815); Ch. v. Stramberg, K., die Stadt, historisch und topographisch (das. 1854, 3 Bde.); Wegeler, K. in seiner Mundart und seinen hervorragenden Persönlichkeiten (das. 1875) und Beiträge zur Geschichte der Stadt K. (2. Aufl., das. 1882); Bär, Urkunden und Akten zur Geschichte der Verfassung und Verwaltung der Stadt K. bis zum Jahre 1500 (Bonn 1898); Becker, Das königliche Schloß zu K. (Kobl. 1886); Stadtführer von Baumgarten, Wörl u. a.

Der Regierungsbezirk Koblenz (s. Karte »Rheinprovinz«) umfaßt 6205 qkm (112,70 QM.), hat (1900) 682,454 Einw. (110 auf 1 qkm), darunter 228,419 Evangelische, 443,053 Katholiken und 8539 Juden, und besteht aus den 14 Kreisen:

Tabelle

Über die sechs Reichstagswahlkreise des Regierungsbezirks vgl. die Karte »Reichstagswahlen«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 207-208.
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