Ouvertüre

[265] Ouvertüre (franz., spr. uwär-), Eröffnungsstück, Einleitung, besonders einer Oper. Die ersten musikdramatischen Versuche wußten von einer O. nichts, sondern begannen in der Regel mit einem (gesungenen) Prolog oder direkt mit der Handlung; diejenigen aber, die den Instrumenten das erste Wort vergönnten (zur Sammlung, Vorbereitung der Hörer), wählten dafür ein Madrigal, das gespielt statt gesungen wurde, oder einen im madrigalesken Stil geschriebenen kurzen Tonsatz. Monteverdes »Orfeo« beginnt mit einer »Toccata« von neun Takten, die dreimal gespielt werden. In der Folge wurde es gebräuchlich, eine kurze Sonata (Canzon da sonar) oder einfache Sinfonia im Pavanenstil als Einleitung der Oper voranzustellen. Durch Lully erlangte eine dreiteilige Form der Sonate typische Bedeutung als Opernvorspiel, die mit einem kurzen Satz im Pavanenstil begann, der, nach einer lebhaft figurierten Fuge abschließend, ganz oder gekürzt wiederholt wurde (französische O.). Dagegen begannen die Italiener seit Scarlatti ihre Sinfonia genannten Opernvorspiele mit einem mehr durch Passagenwerk dekorativen als thematisch interessierenden Allegro und brachten nach einem kontrastierenden Largo als Schluß ein zweites Allegro oder Presto. Beide bildeten den Ausgangspunkt einer auf Massenbesetzung beruhenden Orchestermusik und führten zur Entwickelung der für den Konzertvortrag berechneten Symphonie. Vgl. Instrumentalmusik. Die heutigen Ouvertüren zerfallen hauptsächlich in drei streng zu unterscheidende Arten: 1) Die O. in Sonatenform, mit zwei (oder auch drei) im Charakter verschiedenen Themen, denen gewöhnlich eine kurze Einleitung pathetischen Charakters vorausgeht, und die nach einer mehr oder minder ausgedehnten Durchführung wiederkehren (es fehlt aber die dem Sonatensatz eigne Reprise vor der Durchführung). Diese Form ist mehr oder minder streng eingehalten bei den sogen. Konzertouvertüren. – 2) Die potpourriartige O., die ohne eine andre Form als eine auf Effekt berechnete Steigerung und kontrastierende Ordnung der Themen die zugkräftigsten Nummern der Oper in mehr oder minder vollkommener Gestalt aneinander hängt (Rossini u.a.). – 3) Das motivisch mit der Oper zusammenhängende, aber in sich selbst nach musikalischen Bildungsgesetzen ausgestattete und abgerundete Vorspiel (symphonischer Prolog), in dem der Komponist entweder den Grundgedanken der Oper in gedrängter Gestalt ausführt, die Gegensätze aufstellt und versöhnt oder auch unversöhnt läßt, oder aber auf die ersten Szenen vorbereitet. Solche charakteristische Vorspiele sind die Richard Wagners und seiner Jünger, doch in gewissem Sinn auch schon die Webers, ja Mozarts und Beethovens.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 265.
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