Streichinstrumente

[114] Streichinstrumente (Bogeninstrumente). Die heute allein in der Kunstmusik gebräuchlichen S.: Violine, Bratsche, Violoncello und Kontrabaß sind das Schlußergebnis einer vielleicht tausendjährigen langsamen Entwickelung; sie sind sämtlich nach demselben Prinzip gebaut, wie schon ein flüchtiger Blick auf ihre äußern Umrisse lehrt. Diese der Bildung eines edlen, vollen Tones günstigste Bauart wurde etwa zu Anfang des 16. Jahrh. zunächst für die Violine gefunden und allmählich auf die größern Arten der S. übertragen, so daß Cello, Bratsche und Kontrabaß erheblich später die ältern S., die Violen hießen (Viola da braccio, Viola da gamba und Violone), verdrängten (vgl. Viola und Violine). Nach gewöhnlicher Annahme ist der Orient die Wiege der S.; doch ist dieselbe nur damit begründet, daß die arabischen Musikschriftsteller des 14. Jahrh. die S. Rebab oder Erbeb und Kemantsche kennen. Obgleich nichts auf eine wesentlich frühere Existenz dieser Instrumente bei ihnen hinweist, hat man doch daraus geschlossen, daß das Abendland sie von den Arabern nach der Eroberung Spaniens erhalten habe, während auf der andern Seite eine große Zahl Beweise vorhanden ist, daß seit dem 9. Jahrh., wo nicht länger, das Abendland Instrumente dieser Art kannte. Die älteste Abbildung eines Streichinstruments (in Gerberts »De musica sacra« wiedergegeben) zeigt eine einsaitige Lyra, die dem 8. oder 9. Jahrh. angehört, in einer der spätern Gigue sehr ähnlichen Gestalt; aus dem 10. Jahrh. haben wir eine Abbildung der keltischen Chrotta (s. d.), und im 11.–12. Jahrh. haben bereits mancherlei verschiedene Formen der S. nebeneinander bestanden. Es hielten sich jahrhundertelang nebeneinander zwei prinzipiell verschiedene Formen der S., von denen die (vermutlich minder alte) mit plattem Schallkasten aus der Chrotta hervorging, die andre mit mandolinförmig gewölbtem Bauch aber (die altdeutsche Fidula) wahrscheinlich germanischen Ursprungs ist. Auch das frühe Vorkommen der Drehleier deutet auf einen abendländischen Ursprung der S. Die ältesten S. hatten keine Blinde; diese tauchen erst zu einer Zeit auf, wo die nachweislich von den Arabern eingeführte Laute anfing, sich im Abendland auszubreiten, d. h. im 14. Jahrh., und um dieselbe Zeit tauchen auch allerlei andre Wandlungen im Äußern der S. auf (große Saitenzahl, die Rose), die den Einfluß der Laute verraten. Im 15.–16. Jahrh. finden wir zahlreiche verschiedene Arten großer und kleiner Geigen nebeneinander, die dann sämtlich von den Violininstrumenten verdrängt wurden. Zur Erklärung der so verschiedenartigen äußern Umrisse der S. älterer Zeit sei noch darauf hingewiesen, daß für diejenigen, die eine größere Saitenzahl (über 3) und demzufolge einen höher gewölbten Steg hatten, die Seitenausschnitte nötig wurden, und die Vergrößerung der letztern erzeugte schließlich Instrumente, deren Schallkörper bei nahe die Gestalt eines x hatte. Für die Instrumente mit höchstens 3 Saiten bedurfte es der Seitenausschnitte nicht, und sie behielten daher auch ihren birnenförmigen Schallkasten noch lange Zeit (s. Gigue). Vgl. die Tafeln »Musikinstrumente I-III«. Näheres in den Spezialwerken: Rühlmann, Geschichte der Bogeninstrumente (Braunschw. 1882); Vidal, Les instruments à archet (Par. 1876–78, 3 Bde.) und v. Lütgendorff, Die Geigen und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Frankf. a. M. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 114.
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