Geige

[488] Geige, jetzt insbes. Name der Violine, im weitern Sinne (wie schon im 16. Jahrh.) der Streichinstrumente überhaupt, besonders der Verwandten der Violine: Bratsche, Cello und Kontrabaß. Das Wort stammt vom französischen Gigue (s.d.) und bezeichnete im 13. Jahrh. die Fidel mit lautenartigem, unten gewölbtem Schallkörper, zum Unterschied von den Instrumenten mit plattem Schallkörper und Seitenausschnitten (vgl. Streichinstrumente und Viola). Der Körper der heutigen Geigeninstrumente besteht aus der in der Mitte ausgeschweiften Decke (Oberplatte, Resonanzboden), dem wichtigsten Teil der G., auf dessen Beschaffenheit das meiste für die Güte des Tones ankommt; dann aus dem Boden (Unterplatte), der wie die Decke leicht gewölbt und von gleicher Größe ist. Die Unterplatte wird von Ahornholz, der Resonanzboden von Fichtenholz verfertigt. Diese beiden Hauptteile des Körpers sind durch Zargen, dünne, auf der Kante stehende Späne von Ahornholz, miteinander verbunden. Am Rande der Decke wie des Bodens ist ein schmaler Streifen andern Holzes eingelegt, fehlt dieser, sv nennt man das Instrument eine Schachtelgeige. Da von der vollkommenen Trockenheit des Holzes die Klangfähigkeit des Instruments wesentlich abhängt, so wird dasselbe gebeizt und mit einem seinem Lack überzogen, um die Aufnahme von Feuchtigkeit zu verhüten. Zwischen den für die Bewegungen des Bogens notwendigen Ausschweifungen dieser Teile befinden sich in der Decke einander gegenüber die F-Löcher (vgl. Schallöcher), zwischen diesen der Steg (s.d.), dicht vor dessen einem Fuß (unter der E-Saite) die Stimme (Seele, Stimmstock) zwischen Ober- und Unterplatte eingeschoben ist, ein rundes Stäbchen aus weichem Holz, das den Zweck hat, Transversalschwingungen des Resonanzbodens zu verhindern sowie die [488] Übertragung der Molekularvibrationen seitens des Stegs auf den Resonanzboden zu ermitteln. Auch eine unter dem andern Fuße des Stegs unter die Oberplatte längslaufend geleimte Rippe (der Baßbalken) hat den Zweck, der Bildung von Transversalschwingungen entgegenzuwirken. Die schmale massive Verlängerung des Schallkörpers heißt der Hals; dieser ist unten gerundet, um ein bequemes Gleiten der das Instrument zwischen Daumen und Zeigefinger haltenden Hand zu ermöglichen; auf der oben abgeplatteten Seite ist das Griffbrett aufgeleimt, über das die Saiten laufen. Diese sind in einem besondern Saitenhalter befestigt, der an der untern Zarge gefesselt ist und über dem Resonanzboden frei schwebt. Am obern Ende des Griffbrettes ist der Sattel angebracht, ein etwas hervorstehendes Holzleistchen mit Einschnitten, in denen die Saiten laufen, damit sie nicht auf dem Griffbrett aufliegen und ihr Schwingen nicht gehindert werde. Der Kopf ist etwas rückwärts gebogen, in der Mitte wie ein Kästchen ausgestochen und an den Seitenwänden mit runden Löchern für die Wirbel versehen, an denen die Saiten befestigt werden (Lauf, Wandel- oder Wirbelkasten). Der Geigenbau erreichte seine Vollendung durch die oberitalischen und Tiroler Meister Gaspard Tieffenbrucker aus Freising (1514–71, seit 1553 in Lyon), Jakob Stainer zu Absam (1621–83), Gasparo di Salò (1542–1609), Giovanni Paolo Maggini (1590–1640), Niccolo Amati in Cremona (1596–1684), Matthias Albani (Vater und Sohn), Antonio Stradivari (gest. 1737), Giuseppe Guarneri (1685–1745) und Matthias Klotz in Mittenwald (1653–1740, Begründer der noch blühenden Mittenwalder Geigenindustrie). Unter allen sind die Instrumente des Stradivari (s.d.) die berühmtesten und ausgezeichnetsten; alle Nachahmungen vermochten bis jetzt das Original nicht zu erreichen. Hauptorte der Geigenindustrie in Deutschland sind heutzutage Mittenwald in Oberbayern, Kassel und besonders das sächsische Vogtland (Adorf, Markneukirchen). Vgl. Otto, Über den Bau der Bogeninstrumente (3. Aufl., Jena 1886); Abele, Die Violine, ihre Geschichte und ihr Bau (2. Aufl., Neuburg 1874); Welcker, Über den Bau der Saiteninstrumente (Frankf. 1870); Diehl, Die Geigenmacher der alten italienischen Schule (2. Aufl., Hamb. 1866); Apian-Bennewitz, Die G., der Geigenbau (Weim. 1892, mit Atlas); Riechers, Die G. und ihr Bau (3. Aufl., Berl. 1904); Schulze, Stradivaris Geheimnis. Ausführliches Lehrbuch des Geigenbaues (das. 1901); Rühlmann, Geschichte der Bogeninstrumente (Braunschw. 1882, mit Atlas); v. Lütgendorff, Die Geigen- und Lautenmacher vom Mittelalter bis zur Gegenwart (Frankf. 1904); Hart, The violin, its famous makers and their imitators (4. Ausg., Lond. 1887); de Piccolellis, I liutai antichi e moderni (Flor. 1885); Valdrighi, Nomocheliurgografia antica e moderna (Modena 1884); Vidal, Les instruments à archet (Par. 1876–78, 3 Bde., mit Abbildungen); Dworzak v. Walden, Il violino, analisi del suo meccanismo (Neap. 1884): Wasielewski, Die Violine und ihre Meister (3. Aufl., Leipz. 1893); E. Heron Allen, De fidiculis bibliographia (Lond. 1893, 2 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 488-489.
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