Tierschutz

[546] Tierschutz, ursprünglich Schutz der Tiere gegen unnötige Quälerei. Strafrechtlich wurde die Tierquälerei zuerst in England verfolgt durch das Gesetz[546] von 1822, in den deutschen Staaten durch Gesetze seit 1838. Diese Gesetze wurden aufgehoben durch das Reichsstrafgesetzbuch, dessen § 360, Ziffer 13, mit Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder mit Hast den bedroht, der öffentlich oder in Ärgernis erregender Weise Tiere boshaft quält oder roh behandelt. Außerdem bestehen in Deutschland das Vogelschutzgesetz von 1888 und zahlreiche Regierungs- und Polizeiverordnungen zur Verhütung einzelner Tierquälereien. In Österreich erklärt eine Ministerialverordnung vom 15. Febr. 1855 öffentliche, Ärgernis erregende Mißhandlung von Tieren strafbar. Tierschutzvereine gibt es seit 1824 (London), in Deutschland wurde der erste 1837 in Stuttgart von Knapp gegründet, dann folgten 1839 Dresden, 1841 Hamburg, Berlin, Frankfurt a. M., 1842 München, 1847 Wien etc. Jetzt bestehen in Deutschland über 260 Vereine, von denen 132 mit 81,887 Mitgliedern und einem Vermögen von 630,845 Mk. dem Verbande der Tierschutzvereine des Deutschen Reiches angehören. Der Verband hält alle drei Jahre Zusammenkünfte ab. Organ des Verbandes ist die Zeitschrift »Der deutsche Tierfreund« (Leipzig, seit 1896). Der moderne T. beruht nicht nur auf dem Gefühl des Mitleids, der Gerechtigkeit und Dankbarkeit, sondern auch auf der Erwägung, daß durch die Ausübung und Pflege des Tierschutzes die Menschheit wirtschaftlich und sittlich gefördert, die Jugend gebessert, der Roheit gesteuert wird. Die Vereine wirken negativ für Beseitigung von Mißbräuchen beim Fang der Tiere (Legangeln, Tellereisen, lebende Köder, betäubende Stoffe, geblendete Lockvögel, Dohnenstieg, gewerbmäßiger Vogelsang zum Zwecke des Haltens, Verspeisens und der Mode), beim Transport (Treiben des Schlachtviehs, der Wanderschafe, Gänse, Knebeln der Kälber, Tragen des Geflügels, Eisenbahntransport etc.), beim Töten (Küchengrausamkeiten, Schlachten ohne Betäubung, Schweineschlachten auf dem Lande etc.), bei der Jagd, dem Sport und öffentlichen Schaustellungen (Taubenschießen, Hetzjagden, Stier- und Hahnenkämpfe, übermäßige Distanzritte, Dachs- und Fuchsschliefen etc.), bei der berechtigten Benutzung der Tiere (Mißhandlung der Zugtiere, Abschaffung der Scheuklappen, Aufsatzzügel, Stutzen der Ohren und Schweife bei Hunden und Pferden, Nudeln der Gänse, Kastration, Sammeln von Vogeleiern und Insekten durch die Jugend etc.). Positiv wirken die Vereine bei frei lebenden Tieren (Belehrung über den Nutzen und Warnung vor dem Töten nützlicher und verkannter Tiere, Vogelfütterung im Winter, Anbringen von Nistkasten, Anpflanzen von Vogelschutzgehölzen, internationaler Vogelschutz, Schonung aussterbender Tiere etc.), bei gefangenen und Haustieren (Belehrung über richtige Behandlung, Stallung, Ernährung, Hufbeschlag, passende Maulkörbe, schmerzloses Töten abständiger und überflüssiger Tiere, Gründung von Tierasylen, Aufforderung zum Pferdefleischgenuß, Errichtung von Tränkebrunnen, Legen von Fahrbahnen bei Ausschachtungen, Prämiierung von Dienstboten, Kutschern, Polizei- und Forstbeamten, Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse, Erziehung des Volkes und der Jugend durch die Schule, öffentliche Vorträge, Jugendschriften etc., Erstreben von Verordnungen gegen Tierquälerei, vor allem Abänderung des Tierschutzparagraphen unter Wegfall der Erfordernisse der Öffentlichkeit, Ärgerniserregung, Bosheit und Roheit). Neben den Tierschutzvereinen bestehen zu besondern Zwecken Vogelschutz-, Fischschutz- und Antivivisektionsvereine. Vgl. Bregenzer, Tierethik (Bamb. 1894); v. Hippel, Die Tierquälerei in der Strafgesetzgebung (Berl. 1891); Lange, Die Tierschutzbewegung und § 360, Ziffer 13, des Reichsstrafgesetzbuches (in der »Gerichtshalle«, Bd. 57); Wetzlich, Das Recht der Tiere (Verlag des Tierschutzverbandes in Köln, 1890); Wiedmann, Der T. (Köln 1894); Walcker, Der T. und die Tierquälereien (Sondersh. 1905); Salt, Die Rechte der Tiere (deutsch von Krüger, Berl. 1907).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 546-547.
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