Rezitatīv

[858] Rezitatīv (ital. Recitativo, v. lat. recitare, »erzählen«), diejenige Art des Gesanges, die zugunsten der natürlichen Akzentuation und selbst des Tonfalls der Wörter das rein musikalische Element auf ein Minimum beschränkt, sowohl hinsichtlich der Melodiebildung als der rhythmischen Gliederung, sozusagen die prosaische Rede des Gesanges. Die Erfindung des Rezitativs fällt zusammen mit der Entstehung der Oper (s. d.). Die Instrumentalbegleitung, die gleich von seinen Schöpfern dem R. beigegeben wurde, war zunächst nichts weiter als eine harmonische Stütze für die Sicherheit der Intonation, ein bezifferter Baß (s. Generalbaß), der auf dem Klavier oder auf der Laute, Theorbe, Gambe ausgeführt wurde. Erst die Förderer des dramatischen Stils, voran Monteverde und später Alessandro Scarlatti, gestalteten die Begleitung des Rezitativs lebendiger und schufen das Accompagnato, das R. mit ausgearbeiteter, musikalisch bedeutsamerer Begleitung, während das R. mit Generalbaß als Sekkorezitativ oder schlechtweg Secco sich daneben bis in unsre Zeit hielt. Das moderne R., besonders wie es Wagner schreibt, unterscheidet sich von dem ältern nur dadurch, daß der Musik wieder ein reicherer Anteil am Ausdruck zugewiesen ist und die Instrumentalmusik interessante Gestaltung entwickelt, während die Singstimme im getreuen Anschluß an die (kunstgemäß gesteigerte) natürliche Deklamation sich frei bewegt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 858.
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